Anton Samsonov

Psychologische Hilfe & Coaching

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Schlagwort: Extremsport Psychologie

  • Canyoning Selbsterfahrung – Extremsport in den Alpen

    Canyoning Selbsterfahrung – Extremsport in den Alpen

    Ein Selbstversuch mit professioneller Anleitung. Ein Action-Club in Österreich. Helme an. Wasserschuhe. Dicke Neoprenanzüge, auf den Hintern dicke Plastikfolien – zum Rutschen. Ein Hüftgurt mit Haken und Karabinern.

    Die Einweisung – No No

    Der Guide versucht gegen die lauten Ströme des Wassers anzureden. Noch ahnen wir nicht, was uns erwartet. Die Einweisung ist kurz. Genau zuhören. Dorthin treten, wo der Guide hintritt. Grüne, nasse Steine sind glatt – no no. Graue, trockene Steine sind besser – yes yes. Falls man weggerissen wird – nicht gegen das Wasser kämpfen, mit dem Strom schwimmen und Kräfte sparen.

    Plötzlich. In diesem Moment kommt die Einsicht. Weggerissen? Ist Canyoning etwa gefährlich? Wird es doch kein Spaziergang an einer idyllischen Steinpromenade sein? Man beginnt zu realisieren, dass es gleich spannend wird.

    Brennende Augen

    Warum macht man sowas? Die Reaktionen der Zuhörer sind verschieden. In einigen Augen fängt es an zu brennen und man kann die Lust erkennen. Andere spüren die Angst, ohne da gewesen zu sein.

    Hand aufs beunruhigte Herz – Angst war im Spiel. Obwohl man mit einem Guide ist. Obwohl an Steinen Sicherungshaken angebracht sind. Obwohl man mitten in Europa ist. Mitten in Österreich.

    Der erste Sprung ist leicht. Voller Kraft ins Wasser. Beine zusammen. Schön weit springen, gel? Man kommt weich auf, spürt das Aufkommen nur schwach in den Beinen, die Schuhe federn gut ab. Man geht runter wie ein Stein. Schnell auftauchen – das Gesicht und die Hände frieren, es ist kalt.

    Ohne zu zögern waten wir durch das Wasser zum Guide. Er scheint die Gegend so gut zu kennen, dass er vergisst, dass wir das erste Mal hier sind. Wenige Sekunden haben wir, um die unglaubliche Natur um uns herum aufzusaugen – fühlt sich wie ein zauberhaftes Frühstück an, das man reinstopfen muss.

    Zu schnell für Angst

    Die Kälte spüren wir nicht mehr. Das Adrenalin heizt uns ein. Wir gehen einfach weiter. Von einem trockenen Stein, yes yes, zu nassen kleinen Steinen unter Wasser, no no, eilen wir vorwärts.

    Schon nach den ersten Minuten haben wir unsere Ängste und Sorgen irgendwo hinter uns gelassen. Die Angst, nicht mitgekommen, bei dem schnellen Tempo des Guides. Der vielleicht auch deshalb so schnell war, um uns nicht die Gelegenheit zu geben, darüber nachzudenken, was gerade passiert.

    Abseilen. Karabiner auf. Etwas Drehen, dann etwas lockern. An die Wand. Schön zurücklehnen und an der Wand runter spazieren. Dem Seil und dem Guide vertrauen.

    Das Wort ist nicht einmal gefallen und doch vertrauen wir unser Leben und unsere Gesundheit einem Menschen an, den wir nicht einmal 30 Minuten lang kennen.

    Einem Mann, der eine große Schramme auf der linken Schulter hat, die so aussieht, als hätte ihm einer den Arm absägen wollen. Der Guide wirkt routiniert und selbstsicher. Das flößt uns Vertrauen ein.

    Ausstieg über Trampelpfade mit Steigung

    Alles in Ordnung. Erleichterung. Man steht auf der Erde mit dem Seil in der Hand, zwar halb unter Wasser aber man steht. Unten angekommen. Karabiner auf. Seil weg. Warten auf andere.

    120 Minuten dauert dieses Abenteuer. Krass. Einfach nur krass. Unglaubliche Natur. Gefahr. Bewegung. Frische Luft. Frisches Wasser in den Schuhen. Mehr Action geht kaum, denke ich mir.

    Dann beginnt der Ausstieg. Warum sagt man Ausstieg? Warum nicht: Wir sind da? Wie lange kanns denn dauern bis man wieder an der Base ist? Minuten vergehen. Wir steigen auf. Halten uns an Baumwurzeln fest, die an den Hängen der Alpen wachsen. Die Wege sind keine richtigen Wege. Gefährliche Trampelpfade mit Steigung wäre die passende Beschreibung.

    Völlig egal. Nach unseren Wasserabenteuern ist es fast wie ein Spaziergang an der Kö – Meter für Meter kämpft man sich durch. Rechts von uns ist ein tiefer Abgrund. Irgendwo dort unten hören und sehen wir Wasser. Fallen sollte man nicht. Könnte gefährlich werden.

    Alle am noch am Leben?

    Und dann ist es vorbei. Wir sind an einer Straße. In voller Montur. Werden von den vorbeifahrenden Autos begafft. Wie Höhlenforscher sehen wir aus, mit unseren Anzügen und Helmen. Im Auto sitzen wir geschafft. Körperlich und mental sehr erschöpft.

    Unglaubliche Erfahrung. Kein Debriefing von unserem Guide. Keine Ansprache und keine Glückwünsche, dass wir es alle überlebt haben. Keiner ist unkontrolliert gestürzt. Ertrunken. Irgendwo stecken geblieben.

    Warum auch. Zu gewohnt ist das Ganze für unseren Guide, dessen Namen ich vor lauter Aufregung nicht bei mir halten konnte.

    Zu schnell ist es vorbei. Ist es auch so schnell vorbei, wenn etwas passieren sollte, frage ich mich und lasse die Frage unbeantwortet.

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  • Mindset im Extremsport – Hunger nach Abenteuern

    Mindset im Extremsport – Hunger nach Abenteuern

    Giovanni Calia

    Irgendwo in Spanien stehen sich ein Matador und ein Stier gegenüber. Beide Akteure des gefährlichen Spektakels verfolgen jede Bewegung des anderen und sind konzentriert.

    Sie sind bereit und angespannt. Was würden wir sehen, wenn wir in die Gedanken des Matadors eintauchen würden? Was bringt ihn dazu, sich vor einen Stier zu stellen und das eigene Leben zu riskieren?

    SUCHE NACH MOTIVEN

    Was ist die Motivation des Matadors? Warum steht er in dieser Arena? Natürlich ist es sein Job, aber welche Motive standen hinter seinem Verhalten? Laut Kerr und Mackenzie (2012) gibt es viele Gründe, warum Menschen Abenteuer im Sport suchen. Persönliche Grenzen testen und erweitern. Ängste überwinden. Der Langeweile entfliehen. Eigene Ziele erreichen.

    Andere Forscher erklären die Lust auf Extremsport mit der Suche nach Freiheit (Brymer & Schweitzer, 2013). Will man den Regeln und Routinen des Alltags entkommen und sucht das Ventil in der Gefahr und im Risiko? Oder ist es unsere Persönlichkeit, die uns risikofreudig macht (Breivik, 2011)?

    „I want to do something thats fun and challenging – physically, mentally. And also because there is risk.“ – Riversurfer

    Kerr & Mackenzie (2012)

    ANDERS, ABER ÄHNLICH

    Während die Wissenschaft versucht eine Lösung für diese Frage zu finden, wechseln wir die Perspektive und akzeptieren, dass es dafür diverse Motive gibt. Sie ähneln sich, unterscheiden sich aber auch – eigentlich ist es wie das Einschlafen.

    Das menschliche Schlafverhalten ist eigentlich sehr änhlich, denn wir gehen zu ähnlichen Zeiten ins Bett, stehen zu ähnlichen Zeiten auf, putzen uns davor und danach meist die Zähne und stöpseln unsere Geräte in die Steckdosen ein.

    Und doch unterscheidet sich unser Schlafverhalten, einige schlafen in vollkommener Dunkelheit, einige mit einer Geräuschkulisse, einige mit eingeschaltetem Handy, einige wachen nachts auf um zu trinken etc. Es gibt schlichtweg so viele Motivationen wie es Menschen gibt.

    In einigen Facetten ähneln sich die Motive, aber insgesamt bleibt es doch sehr individuell. Ähnlich ist es auch im Sport – wir wollen zu einer Gruppe gehören oder unabhängig sein, aber für jeden bedeutet das etwas anderes und es gibt keine objektive Möglichkeit, um das in Form zu pressen.

    „Once you’re over the scary bit there, then you feel pretty good… I’ve been enjoying it because its very, very exciting.“

    Kerr & Mackenzie (2012)

    PSYCHOLOGISCHE STRATEGIEN DER BESTEN

    Verlagern wir unseren Fokus darauf, wie wir das Wissen von Leistungs- und Extremsportlern nutzen können. Was können wir von ihnen lernen? Welche psychologischen Strategien nutzen sie, neben dem körperlichen Training, um ihre Herausforderungen zu meistern?

    Es ist bekannt, dass erfolgreiche Sportler, die z.B. an Olympischen Spielen teilnehmen, sich in ihrer psychologischen Vorbereitung stark von den durchschnittlichen Sportlern unterscheiden (Orlick & Partington, 1988).

      • Sie setzen sich klare und herausfordernde Ziele, die ihr Verhalten strukturieren, leiten und motivieren.
      • Sie trainieren die Bewegungsabläufe und Techniken mit geschlossenen Augen, um die Vernetzung der Schaltkreise im Gehirn zu unterstützen.
      • Im Training simulieren sie die Wettkampfbedingungen so gut wie möglich, um auf den Wettkampf vorbereitet zu sein. Und von vornherein bekannte Störfaktoren ausblenden zu können, ohne sich davon irritieren zu lassen.

    https://www.youtube.com/watch?v=KWjqicp6Lt0

    SIEBEN ELEMENTE DES ERFOLGS

    Orlick (2000) extrahierte sieben Elemente, die zu besonderer Leistung beitragen. Engagement und Entschlossenheit das Ziel zu erreichen (Commitment). Fokussierte Verbindung (Focused Connection), das man als achtsame Verbindung mit der Welt bezeichnen könnte, also das vollständige Eintauchen in das Training oder die Tätigkeit.

    Selbstsicherheit (Confidence). Positive Vorstellungen, Modelle und Beispiele (Positive Images). Mentale Bereitschaft (Mental Readiness). Fähigkeit, mit Ablenkungen umzugehen (Distraction Control). Kontinuierliches Lernen (Ongoing Learning).

    Folge dem Link, um mehr über Mentaltraining zu erfahren.

    PSYCHOLOGISCHE TOOLS FÜR EXTREMSITUATIONEN

    Einen anderen Ansatz verfolgte Burke (2003), als er sieben Bergsteiger befragte, die Mount Everest erfolgreich bestiegen haben. Welche psychologische Vorbereitung und welche Strategien verfolgten die Bergsteiger vor und während der Aufstiegs?

    Visualisierung – Die Befragten berichteten, dass sie sich bei der Vorbereitung immer wieder vorgestellt haben, wie sie oben auf dem Berg stehen. Einige sagten, dass sie sich vorstellten, wie schwer es sein wird und wie sie den einen Fuß vor den anderen setzen und durchhalten.

    Entwicklung mentaler Stärke – Viele berichteten, dass sie sich an die eigenen Grenzen heranführten, um psychologische Widerstandsfähigkeit zu trainieren. Ein Kletterer erzählte, dass er bei einem seiner Aufstiege (nicht zum Everest) von einem Felsen erwischt wurde und sein Arm gebrochen war, ohne dass er das wusste (S.46). Er zwang sich zum Weitermachen und brachte den Aufstieg zum Ende.

    Ein anderer Kletterer betonte, dass der Everest Aufstieg ein kontinuierliches Leiden voraussetzt. Um den Aufstieg zu schaffen, muss man schon vorher abgehärtet sein und bereit sein, wochenlang zu leiden und den Frieden damit finden, unzufrieden zu sein (become comfortable being uncomfortable).

    Kurzfristige Zielsetzung – Vor allem in schwierigen Phasen fiel es den meisten schwer, optimistisch und motiviert zu bleiben, weil das Ziel noch so weit entfernt lag. Die Fähigkeit kleine Ziele zu setzen, ist von entscheidender Bedeutung, um das eigene Verhalten zu strukturieren und durchzuhalten.

    Nutze die Hinweise dieses Beitrags, um deine psychologischen Ressourcen zu aktivieren und auszubauen.

    QUELLEN

    Breivik, G. (2011). Dangerous play with the elements: Towards a phenomenology of risk sports. Sport, Ethics and Philosophy, 5(3), 314-330.

    Brymer, E., & Schweitzer, R. (2013). The search for freedom in extreme sports: A phenomenological exploration. Psychology of Sport and Exercise, 14(6), 865-873.

    Burke, S. (2003). Mental strategies of elite Mount Everest climbers (Doctoral dissertation, University of Ottawa (Canada)).

    Kerr, J. H., & Mackenzie, S. H. (2012). Multiple motives for participating in adventure sports. Psychology of Sport and Exercise, 13(5), 649-657.

    Orlick, T., & Partington, J. (1988). Mental links to excellence. The sport psychologist, 2(2), 105-130.

    Varley, P. J. (2011). Sea kayakers at the margins: The liminoid character of contemporary adventures. Leisure Studies, 30(1), 85-98.

    Die Suche nach Grenzen – Psychologie im Extremsport