Anton Samsonov

Psychologische Hilfe & Coaching

a.samsonov@thepsychologist.de

Schlagwort: Arbeitspsychologie

  • Demotivation ist wie eine unsaubere Toilette

    Das Management wartet darauf, bis ich meinen Vortrag beginne. Im 45-minütigen Impuls geht es um das Thema Motivation und um Demotivation. Motivation ist ein MUST-HAVE, versuche ich zu vermitteln.

    Die meisten Führungskräfte machen sich Gedanken über Motivation. Über ihre eigene und über die ihrer Mitarbeitenden. Viele haben dazu etwas gelesen und gehört, versuchen Motivation „anzukurbeln“ oder sie in anderen zu „wecken“.

    Die wenigsten sorgen sich um Demotivation. Um Dinge bei der Arbeit, die zwar die Motivation nicht erhöhen, aber dafür sorgen, dass die Belegschaft nicht demotiviert ist. Lust auf ein Beispiel?

    Saubere Toiletten im Büro motivieren nicht – das ist eine Selbstverständlichkeit. Wenn sie aber nicht sauber sind, kann das demotivieren. Chefs, die ihrer Negativität freien Lauf lassen, andere unterbrechen, zu spät kommen, aber von anderen erwarten, dass sie pünktlich sind.

    Das ist selten Thema – in meinem Vortrag mache ich das zum Thema, denn Modelle der Motivation sind bekannt: das Streben nach Sicherheit und Selbstverwirklichung (Bedürfnishierarchie von Maslow) sowie die Hygienefaktoren und Motivatoren (Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg).

    Theorien sind bekannt.

    Theoretisch ist alles fein.

    Was nicht fein ist, sind die zahllosen Seelen, die unglücklich und unzufrieden in ihren Jobs sind (Gallup Bericht 2023). Millionen von Menschen schleppen sich täglich zur Arbeit. Sehen keinen Sinn in ihrer Arbeit (Dokumentation ARTE „Arbeit ohne Sinn“). Zählen die Jahre bis zu ihrer Rente.

    Und wenn sie unzufrieden sind, dann sind die wenigsten von ihnen motiviert. Uuuuuund wenn sie nicht motiviert sind, dann leidet darunter die Qualität ihrer Arbeit, ihrer Dienstleistung, aber auch ihres persönliches Lebens. Das spüren die Kunden, die Kollegen, die Angehörigen und vielleicht auch die Chefs.

    Motivation ist kein NICE-TO-HAVE. Motivation ist ein MUST-HAVE. Jedenfalls dann, wenn du auf dem Markt überleben willst. Motivation ist ein MUST-HAVE, wenn es darum geht, exzellent zu werden, besser zu werden als gestern.

    Bei all den Gesprächen um Motivation müssen wir auch einen Blick auf die Dinge werfen, die demotivieren. Und das sind nicht nur unsaubere Toiletten.

    Mehr über Motivation

    Big Picture zum Thema Motivation

    Buch von Marshall Goldsmith – Link zum Buch

  • Stakeholdermanagement – Warum große Netzwerke wenig Nutzen

    Stakeholdermanagement – Warum große Netzwerke wenig Nutzen

    Stakeholdermanagement – hinter dem komplizierten Wort steckt ein einfaches Prinzip. Es ist wie das Dating von Unternehmen. Mit wem geht unser Unternehmen abends was trinken, um sich näherzukommen? Unter Stakeholdermanagement versteht man die Gestaltung von Beziehungen zwischen Unternehmen, Personen oder Parteien (Stakeholdern).

    Großes Netzwerk – keine Vorteile

    Unternehmen bauen Netzwerke auf, die ihnen irgendwann einen Vorteil bringen sollen. Doch ein großes Netzwerk bringt nicht immer einen Vorteil. Das ist wie bei einem Umzug – am Ende kommen nur diejenigen, die bezahlt werden oder die, mit denen man häufig zu tun hat.

    Wer Stakeholdermanagement ernst nimmt, sorgt sich deshalb nicht nur um ein großes Netzwerk, sondern auch um ein Verständnis der Rolle der Partner, mit denen man kooperiert. Die Power Interest Matrix erleichtert das Differenzieren der Rollen dieser Partner.

    Einfluss und Interesse

    Wer hat wie viel Einfluss in unserem Umfeld und wer hat wie viel Interesse an unserem Produkt? Partner mit großem Interesse und großem Einfluss sind Key Player, die aktiv engagiert werden sollten, um den größtmöglichen Nutzen zu bekommen (Quadrat oben rechts). Partner mit wenig Interesse oder wenig Einfluss werden dagegen weniger aktiv engagiert (Quadrate oben links und unten rechts).

    Die Power Interest Matrix ist kein theoretisches Modell zum
    Abheften. Es ist eine Aufgabe für alle, die eine Beziehung zu Kunden und Interessensvertretern vertiefen und nutzen möchten. Dafür werden die Partner in die Matrix eingeordnet, um eine Strategie zu Gestaltung der Beziehung zu bestimmen.

    Aufgabe der Leader – Differenzierung der Partner

    Egal was die Matrix sagt – am Ende sollten die Leader entscheiden, mit welchen Partnern mit welchen Mitteln kommuniziert werden soll. Wer bekommt welche Art von Aufmerksamkeit? Eine solche Differenzierung der Netzwerke erleichtert das Vorgehen und die langfristige Gestaltung von Beziehungen.

    Wie auch beim Dating und bei langfristigen Partnerschaften steckt das Geheimnis eines guten Stakeholdermanagements in der regelmäßigen Pflege der relevanten Beziehungen.

    Hier erfährst du mehr über Stakeholdermanagement – Link zur Webseite von Projektmagazin

  • Die Macht, die uns weniger empathisch macht

    Die Macht, die uns weniger empathisch macht

    Die Wichtigen und Mächtigen sind lausige Empathisanten (Galinsky et al., 2006). Sie tun sich schwer damit, die Perspektive der anderen einzunehmen und sind weniger empathisch.

    Warum auch? Wenn sie doch die wertvollen Ressourcen kontrollieren und eher damit beschäftigt sind, die Perspektiven und Richtungen zu bestimmen und zu führen.

    Je mächtiger sie sind, desto schlechter scheint es ihnen zu gelingen, sich in andere hineinzuversetzen, Gesichtszüge zu interpretieren. Sie neigen auch zur Annahme, dass andere ein ähnliches Wissen haben müssen, wie sie selbst (Galinsky et al., 2006).

    Mächtig sind nur die anderen

    Bevor wir uns jetzt selbst ausklammern und sagen: „Na, ich bin damit ja nicht gemeint. Ich bin der empathischste Mensch, den ich kenne“, könnten wir uns vor Augen führen, was Macht eigentlich ist. Man muss nicht ein Volk regieren oder ein Unternehmen leiten, um Macht auszuüben.

    Einfach gesprochen ist Macht die Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen (Keltner et al., 2003). Entscheidend für das Gefühl der Macht ist – das eigene Gefühl. Ich kann mich sehr mächtig fühlen, ohne es tatsächlich zu sein.

    Die Wichtigen und Mächtigen sind also nicht nur da oben, sondern überall. Wenn dich jemand auf der Autobahn mit der Lichthupe einschüchtert, versucht derjenige Macht auszuüben. Auch du hast die Möglichkeit (also die Macht), mit der Lichthupe Terror zu verbreiten. Machst du das auch?

    Jede Handlung zählt

    Täglich üben wir Macht aus und beeinflussen andere Menschen. Mit unseren Handlungen, indem wir andere vor vollendete Tatsachen stellen. Mit unserer Sprache, indem wir eine Bitte oder eine Aufforderung äußern. Auch mit unseren Gesten, E-Mails und Gesichtsausdrücken.

    Das Gefühl der Macht, macht uns weniger empathisch – sagt uns die Wissenschaft. Was machen wir mit dieser Erkenntnis? Vielleicht können wir diese Erkenntnis berücksichtigen, wenn wir das nächste Mal jemanden mit unserem Verhalten oder unseren Worten, E-Mails oder Gesten beeinflussen möchten.

    Quellen

    Galinsky, A. D., Magee, J. C., Inesi, M. E., & Gruenfeld, D. H. (2006). Power and perspectives not taken. Psychological science, 17(12), 1068-1074.

    Keltner, D., Gruenfeld, D. H., & Anderson, C. (2003). Power, approach, and inhibition. Psychological review, 110(2), 265.

  • Sinnhafte Arbeit – Suche dein Glück bei der Arbeit

    Sinnhafte Arbeit – Suche dein Glück bei der Arbeit

    Science in HD

    Glück ist ein Gast, der gerne wiederkommt, wenn man ihn richtig empfängt. Mit welchen Mitteln versuchst du dein Glück zu empfangen? Und möchtest du erfahren, was die Wissenschaft zum Thema Glückseligkeit zu sagen hat?

    Dazu sehen wir uns die Arbeit von Dr. Michael Fordyce an, der jahrelang dokumentiert und analysiert hat, was die glücklichsten Menschen tun, um so glücklich zu sein, wie sie sind. Über Glück und Glückseligkeit wurde viel geschrieben und gesagt, wir beleuchten die wissenschaftliche Perspektive.

    DEINE SINNVOLLE BESCHÄFTIGUNG

    Arbeit ist eines der größten Bereiche unseres Lebens und beeinflusst massiv wie glücklich und zufrieden wir uns fühlen. Wir verbringen die Mehrheit unserer Lebenszeit damit, Aufgaben zu erledigen, die unser Job erfordert. Und selbst wenn wir nicht arbeiten, denken wir über Arbeit nach, denn wir werden damit überall konfrontiert.

    Beim Reisen sehen wir die Taxifahrer und Lokführer. In Museen betrachten wir die Arbeit von Künstlern. Auf Konzerten hören wir die Arbeit der Musiker. Im Restaurant werden wir von Köchen und Kellern bekocht und bedient. Ohne Arbeit wäre unsere Welt eine gänzlich andere.

    Geschäftig Straße Menschen Roller Fahrräder Häuser

    DEINE ARBEIT

    Empfindest du deine Arbeit als sinnhaft? Machst du sie gerne? Wenn wir schon so viel Zeit bei der Arbeit verbringen, wäre es glücksfördernd, die Arbeit gerne zu machen oder zumindest einen Sinn darin zu sehen.

    Ein Arbeiter, der jeden Tag Schrauben sortiert, könnte seine Arbeit als sinnlos empfinden, weil er eine Aufgabe erledigt, die ihn kaum fordert und ihn nicht erfüllt. Doch es liegt ganz in seiner Hand, nach dem Sinn seiner Arbeit zu suchen, um motiviert und produktiv zu bleiben.

    Sortiert der Mann Schrauben oder sorgt er dafür, dass die Autos seiner Firma beim Fahren nicht auseinanderfallen? Bewegt er Metallstücke von links nach rechts oder trägt er dazu bei, dass die Schrauben seines Unternehmens die bestmögliche Qualität aufweisen?

    Nicht die Arbeit selbst, sondern die Wahrnehmung dieser Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Glückseligkeit. Welchen Sinn hat deine Arbeit?

    Maschinen Mensch Arbeit Regal

    DEINE WAHRNEHMUNG

    Dieses Prinzip begegnet uns permanent, wenn wir über Psychologie des Glücks sprechen. Es sind nicht die Umstände, die uns glücklich oder unglücklich machen, sondern es ist unsere Wahrnehmung dieser Umstände, die wesentlich dazu beitragen, wie wir uns fühlen.

    Außerdem kannst du dich auch fragen, ob du die aktuelle Arbeit gerne eintauschen würdest. Welche Art von Arbeit würdest du als sinnvoll erleben? Würdest du gerne in Gewässern nach Lebewesen suchen? Auf die Suche nach dem Leben im All gehen? Menschen helfen? Leben retten? Städte bauen? Tieren helfen? Ideen generieren? Tanzen? Ein Unternehmen leiten? 

    DEINE INTERESSEN

    Selbst wenn du deine Arbeit hasst, ihr keine Sinnhaftigkeit abgewinnen kannst und sie auch nicht wechseln möchtest, so kannst du doch neben der Arbeit dem nachgehen, was dich begeistert und was für dich sinnvoll ist. Du könntest einen Tauchschein machen und dich einem Tauchverein anschließen, um Gewässer zu erkunden.

    Oder ein Teleskop kaufen oder einer Sternwarte beitreten, um mehr über ferne Galaxien und Welten zu erfahren. Vielleicht doch lieber dem Deutschen Roten Kreuz beitreten, um Menschen zu helfen? Ein Buch über Architektur kaufen oder ein Gespräch mit einem Architekten suchen?

    https://www.youtube.com/watch?v=l53dEQJUZFQ

    BESCHÄFTIGE DICH MIT ETWAS,
    DAS FÜR DICH SINNVOLL IST

    Und selbst wenn du nicht DIE ARBEIT findest, die dich grenzenlos inspiriert, so könnte dich vielleicht bereits die Suche bereichern. Denn Glückseligkeit ist kein Objekt, das wir erlangen – es ist ein Zustand, der sich einstellt, wenn wir auf die Suche gehen.

    QUELLE

    Fordyce, M. W. (1981). The psychology of happiness: A brief version of the fourteen fundamentals.

  • Nachhaltig gesund? – Wellness bei der Arbeit

    Nachhaltig gesund? – Wellness bei der Arbeit

    Bewegung = Gesundheit

    Bewegt euch mehr. Diese Botschaft kann nicht häufig genug wiederholt werden.  Aber es bloß zu sagen, reicht nicht aus und so nehmen Unternehmen Geld in die Hand.

    Sie geben ihren Arbeitskräften die Möglichkeit, sich mehr zu bewegen, gesünder zu ernähren und an Kursen teilzunehmen, die gesundheitsförderlich sind. Diese Strategie ist als Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) bekannt.

    Funktioniert diese Strategie? Song und Baicker (2019) führten dazu ein Experiment durch. 18 Monate dauerte das Programm in einem Konzern in USA. 160 Filialen mit insgesamt 36 000 Menschen wurden untersucht. Zentrale Frage: Bewegen sich Menschen in Unternehmen mit BGM mehr und sind sie gesünder, als diejenigen, die solche Möglichkeiten nicht haben?

    Machen BGM-Unternehmen gesünder?

    Die meisten Teilnehmer des Gesundheitsprogramms hatten das Gefühl, dass sie gesünder waren. Doch die medizinischen Messungen waren nicht so optimistisch und zeigten auf, dass sie sich nicht von den Gruppen unterschieden, die kein Gesundheitsprogramm mitgemacht haben.

    Der Cholesterin- und Glukosespiegel war ähnlich. Blutdruckwerte unterschieden sich nicht bedeutend. Krankheitsbedingte Abwesenheit war bei beiden Gruppen gleich hoch. Stressgefühle waren vergleichbar.

    Mit anderen Worten, Arbeitnehmer, die keinen Zugang zum Sportprogramm des Unternehmens hatten, waren gesund. Genauso gesund wie Arbeitnehmer, die am BGM-Programm des Unternehmens teilgenommen haben.

    Der ganze BGM-Aufwand für die Tonne?

    Aus zwei Gründen wäre dieses Fazit zu kurzsichtig. Zum einen wurde kein Vorher-Nachher Abgleich der Gruppen gemacht. Wie war der Gesundheitsstatus der Gruppen vor dem Experiment? Vielleicht hat sich die BGM-Gruppe stark verbessert oder die Nicht-BGM-Gruppe stark verschlechtert.

    Können wir nicht wissen, weil es nicht gemessen wurde. Weil es also nur eine Querschnittsstudie ist, können wir nicht mit Sicherheit sagen, welchen Effekt das BGM-Programm auf die Gruppen hatte.

    Zum anderen braucht Veränderung Zeit und beginnt mit einer Anpassung der Wahrnehmung und des Selbstbildes. Der Mensch muss das Gesundheitsverhalten erst in sich integrieren und realisieren, dass er eben kein alter Wandnagel ist, der nur rumhängt.

    Und das fängt mit einem guten Gefühl an und tatsächlich berichtete die BGM-Gruppe, dass sie sich gesünder fühlen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber eben nur ein Schritt. Langfristige Veränderung erfolgt eben nicht durch kurzfristige Maßnahmen.

    Quellen

    Song, Z., & Baicker, K. (2019). Effect of a workplace wellness program on employee health and economic outcomes: a randomized clinical trial. Jama, 321 (15), 1491-1501.

  • Unerwartet glücklich – Psychologie des Glücks

    Unerwartet glücklich – Psychologie des Glücks

    „Zu wissen, was Du willst, anstatt unterwürfig zu allem Ja und Amen zu sagen, von dem dir die Welt vorschreibt, dass du es wollen sollst, bedeutet, dass du deine Seele lebendig gehalten hast.“
    ―Robert Louis Stevenson (Quelle)

     Sebastian Pichler

    Was macht dich glücklich? Hast du schon mal die Erfahrung gemacht, dass einige Dinge dich nicht so glücklich machen, wie du es erwartet hättest? Das Auto, an das du dich sehr schnell gewöhnt hast? Dein Haus, das für dich mittlerweile selbstverständlich ist?

    Sportliche und berufliche Leistungen, die schneller vergessen sind, als es zu erwarten war? Und vielleicht erinnerst du dich auch an gefürchtete Momente, die im Nachhinein gar nicht so schlimm waren? Im folgenden Beitrag möchte ich mit dir teilen, warum wir das Glück nicht immer dort finden, wo wir es erwarten.

    WEGE ZUM GLÜCK

    Jeder von uns strebt nach Glück auf seine eigene Art und Weise. Wie versuchst du zum Glück zu gelangen? Vielleicht möchtest du dir jetzt ein paar Sekunden Zeit nehmen, um darüber nachzudenken. Denn viele Entscheidungen die wir in unserem Leben treffen, werden auch durch unser Streben nach Glück mitbestimmt.

    Möchte ich ein Jurist, Mauerer, Künstler oder Sportler werden? Wird mich der Beruf auf Dauer erfüllen und glücklich machen können?  Mit welchem Partner möchte ich zusammen sein, welcher Partner kann mich glücklich machen? Was muss ich noch ausprobieren, damit ich am Ende des Lebens glücklich bin? Welche Art von Urlaub macht mich glücklich?

    BLICK IN DIE ZUKUNFT

    Natürlich können wir nicht mit Sicherheit wissen, was die beste Entscheidung wäre, aber wir probieren es vorherzusagen. Vor jeder Entscheidung versuchen wir zu erraten, wie wir uns fühlen werden, wenn wir eine Entscheidung treffen. Das passiert ganz automatisch, ohne dass wir uns darüber Gedanken machen müssen.

    Ein paar Beispiele: Wie werde ich mich fühlen, wenn ich im Lotto gewinne? Wie werde ich mich fühlen, wenn ich erfahre, dass mein Partner mich betrügt? Wie werde ich mich fühlen, wenn ich ein Eis esse? Das Gefühl kommt blitzschnell – ein Lottogewinn wäre großartig, das Betrügen des Partners würde einen niederschlagen und das Eis wäre super.

    So können wir unsere Reaktion auf Dinge antizipieren, die wir vielleicht noch nicht einmal erlebt haben: Wie würdest du dich fühlen, wenn du unbekleidet durch eine Einkaufspassage laufen müsstest? Diesen Prozess bezeichnen wir als emotionale Vorhersage | affective forecasting (Wilson & Gilbert, 2003).

    Innerlich fragen wir uns meist: Wie werde ich mich fühlen, wenn ich das mache?

    KEIN PERFEKTES SYSTEM

    Zuerst die gute Nachricht. Wir sind gut darin, zu unterscheiden, ob unsere Entscheidungen zu angenehmen oder unangenehmen Gefühlen führen werden. Wir können also problemlos vorhersagen, ob ein Lottogewinn angenehm und ob ein Jobverlust unangenehm ist.

    Jetzt kommt die schlechte Nachricht. Unsere Vorhersagen zur Stärke (wie stark wird das Gefühl sein) und Dauer (wie lang wird das Gefühl andauern) unserer Gefühle ist nicht besonders gut. Mit anderen Worten, wir schätzen zwar richtig ein, dass ein Lottogewinn sich toll anfühlt, überschätzen dabei aber, wie intensiv das Gefühl sein wird – das Gefühl wird nicht so stark sein, wie wir es vermuten.

    Zusätzlich überschätzen wir, wie lange das Gefühl andauern wird – das Gefühl wird ziemlich schnell wieder abklingen (Wilson & Gilbert, 2003).

    UNTERSCHÄTZTE STÄRKE

    Was ist, wenn wir diese Frage Menschen stellen, die ihre Beine verloren oder eine positive HIV Diagnose bekommen haben? Schwer zu glauben, aber auch in diesen Fällen ist das Muster identisch.

    Kurz nach der Diagnose sind die Menschen mit schweren Krankheiten untröstlich und können sich nicht vorstellen, dass sie ihr Leben jemals wieder werden genießen können. Doch auch bei ihnen normalisiert sich der Zustand im Laufe der Zeit und auch sie werden wieder glücklicher.

    Und das betrifft nicht nur Krankheiten: auch sportliche Niederlagen sind schneller aus der Welt, als Sportler das ahnen; über persönliche Beleidigungen wächst wieder neues Gras und die Sicht auf unerwartete Schwangerschaften ändert sich zum Positiven (Wilson, Wheatley, Meyers, Gilbert, & Axsom, 2000).


    Wir sind stärker als wir glauben. Jeder von uns ist in der Lage, Krisen zu meistern.

    PSYCHO – IMMUNSYSTEM

    Sehen wir uns kurz an, warum das so ist. Wir haben ein psychologisches Immunsystem, das dafür sorgt, dass die Intensität unserer Gefühle gesenkt wird. Das erklärt beispielsweise warum Liebesgefühle im Laufe einer Beziehung an Intensität verlieren und nach einer Zeit nicht mehr so intensiv sind.

    Diese Prozesse laufen unbewusst ab und tragen dazu bei, dass Erlebtes für uns leicht verdaulich wird. Tolle Ereignisse verlieren für uns schneller an Bedeutung, als wir glauben.

    Das Schöne daran ist, dass auch schlimme Ereignisse für uns schneller an Bedeutung verlieren, als wir glauben. Die Dinge sind selten so angenehm oder so unangenehm wie wir uns das vorher ausmalen.

     BEWUSSTER ENTSCHEIDEN

    Wir haben gesehen, dass unsere Vorstellung von Glück nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen muss. Die Mechanismen, die dafür verantwortlich sind, lassen sich nicht abschaffen, denn sie sind ein Teil von uns und dienen unserem Schutz.

    Dieses Wissen können wir aber nutzen, um weisere Entscheidungen zu treffen. Wird mich das große, teure Haus wirklich glücklicher machen als eine kleine, bezahlbare Wohnung? Wird mich mein eigenes Auto wirklich glücklicher machen als die Nutzung eines Carsharing Portals?

    Ist die Reise nach Indien wirklich notwendig, um mich glücklich zu machen? Wird mich die schlankere Taille wirklich wesentlich glücklicher machen, als ich es jetzt schon bin? Welche kleinen Dinge können mich vielleicht glücklicher machen, als ich bisher gedacht hatte? Und zum Schluss gibt es noch einige bewährte Anregungen aus der Glücksforschung.

     

    ERLEBE ODER KAUFE ERFAHRUNGEN, STATT OBJEKTE

    Dinge und Objekte werden dich langfristig nicht glücklich machen
    (Dunn, Gibert & Wilson, 2011)



     

    HILF ANDEREN UND SCHENKE MEHR

    Wenn wir mit anderen sind oder ihnen helfen, dann macht uns das glücklicher
    (Dunn, Gibert & Wilson, 2011)



     

    ERLEBE VIELE KLEINE DINGE

    Viele kleine Käufe und Erfahrungen machen uns glücklicher, alleine schon deshalb, weil wir sie häufiger machen können (Dunn, Gibert & Wilson, 2011)



    QUELLEN

    Dunn, E. W., Gilbert, D. T., & Wilson, T. D. (2011). If money doesn’t make you happy, then you probably aren’t spending it right. Journal of Consumer Psychology, 21(2), 115-125.

    Wilson, T. D., & Gilbert, D. T. (2003). Affective forecasting. Advances in Experimental Social Psychology, 35 (35), 345-411.

    Wilson, T. D., Wheatley, T., Meyers, J. M., Gilbert, D. T., & Axsom, D. (2000). Focalism: a source of durability bias in affective forecasting. Journal of Personality and Social Psychology, 78 (5), 821.

    Lust auf mehr?

    Alles eine Frage der Balance

  • Vorteile kleiner Teams – Flink und disruptiv

    Vorteile kleiner Teams – Flink und disruptiv

     Dylan Gillis

    Teams sind schon immer wichtig gewesen, um große Projekte zu realisieren. Gemeinsam lassen sich mathematische, sprachliche oder körperliche Herausforderungen meist schneller lösen. Nur durch eine koordinierte Teamarbeit konnten Pyramiden, Tunnel und Autobahnen entstehen.

    Teamwork schafft Fortschritt

    Eine einzelne Person zieht im Wettbewerb mit einem Team meist den Kürzeren (Qin, Johnson & Johnson, 1995). Und einige Dinge kann man alleine überhaupt nicht bewältigen. Wir Menschen sind Problemlöser – nach neuen Lösungen für alte Probleme zu suchen, ist unsere Spezialität.

    Besonders effektiv sind wir dabei in Teams mit einem gemeinsamen Ziel. Allerdings bringt die Variation des Ziels und der Gruppengröße unterschiedliche Ergebnisse.


    Teams können Dinge erschaffen, die zunächst unmöglich erscheinen

    Wer also nach einer kreativen oder innovativen Lösung für ein Problem sucht, könnte von einem kleinen Team profitieren. Die Studie von Wu, Wang und Evans (2019), die im renommierten Journal Nature veröffentlicht wurde, zeigte nämlich, dass kleinere Teams deutlich innovativer waren, als große Teams.

    Klein und meistens disruptiv

    Der Mehrwert der Studie ist nicht zu unterschätzen, denn in die Analyse der Forscher flossen 65 Millionen Studien, Produkte und Patente von 60 Jahren mit ein. Kleine Teams hatten kein Problem damit, bestehende Trends über Bord zu werfen (disruptive Teams von ca. 1 – 5 Mitgliedern) und waren vermutlich deshalb innovativer als große Teams.

    Großen Gruppen wird dagegen nachgesagt, dass sie weniger Ideen generieren, externe Ansichten seltener berücksichtigen, eigene Sichtweisen neutralisieren und dadurch eher langsam vorankommen (Wu, Wang & Evans, 2019).

    Die Suche nach einer innovativen und disruptiven Lösung für ein Problem könnte insbesondere dann erfolgreich sein, wenn die Anzahl der Teammitglieder überschaubar ist (2-5). Zur Ausarbeitung und Entwicklung bereits bestehender Ideen bieten sich dagegen größere Teams an, die auf viele Ressourcen zurückgreifen können.

    QUELLEN

    Qin, Z., Johnson, D. W., & Johnson, R. T. (1995). Cooperative versus competitive efforts and problem solving. Review of educational Research, 65(2), 129-143.

    Wu, L., Wang, D., & Evans, J. A. (2019). Large teams develop and small teams disrupt science and technology. Nature, 566(7744), 378.