Canyoning Selbsterfahrung – Extremsport in den Alpen

Der Guide versucht gegen die lauten Ströme des Wassers anzureden. Noch ahnen wir nicht, was uns erwartet.

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Ein Selbstversuch mit professioneller Anleitung. Ein Action-Club in Österreich. Helme an. Wasserschuhe. Dicke Neoprenanzüge, auf den Hintern dicke Plastikfolien – zum Rutschen. Ein Hüftgurt mit Haken und Karabinern.

Die Einweisung – No No

Der Guide versucht gegen die lauten Ströme des Wassers anzureden. Noch ahnen wir nicht, was uns erwartet. Die Einweisung ist kurz. Genau zuhören. Dorthin treten, wo der Guide hintritt. Grüne, nasse Steine sind glatt – no no. Graue, trockene Steine sind besser – yes yes. Falls man weggerissen wird – nicht gegen das Wasser kämpfen, mit dem Strom schwimmen und Kräfte sparen.

Plötzlich. In diesem Moment kommt die Einsicht. Weggerissen? Ist Canyoning etwa gefährlich? Wird es doch kein Spaziergang an einer idyllischen Steinpromenade sein? Man beginnt zu realisieren, dass es gleich spannend wird.

Brennende Augen

Warum macht man sowas? Die Reaktionen der Zuhörer sind verschieden. In einigen Augen fängt es an zu brennen und man kann die Lust erkennen. Andere spüren die Angst, ohne da gewesen zu sein.

Hand aufs beunruhigte Herz – Angst war im Spiel. Obwohl man mit einem Guide ist. Obwohl an Steinen Sicherungshaken angebracht sind. Obwohl man mitten in Europa ist. Mitten in Österreich.

Der erste Sprung ist leicht. Voller Kraft ins Wasser. Beine zusammen. Schön weit springen, gel? Man kommt weich auf, spürt das Aufkommen nur schwach in den Beinen, die Schuhe federn gut ab. Man geht runter wie ein Stein. Schnell auftauchen – das Gesicht und die Hände frieren, es ist kalt.

Ohne zu zögern waten wir durch das Wasser zum Guide. Er scheint die Gegend so gut zu kennen, dass er vergisst, dass wir das erste Mal hier sind. Wenige Sekunden haben wir, um die unglaubliche Natur um uns herum aufzusaugen – fühlt sich wie ein zauberhaftes Frühstück an, das man reinstopfen muss.

Zu schnell für Angst

Die Kälte spüren wir nicht mehr. Das Adrenalin heizt uns ein. Wir gehen einfach weiter. Von einem trockenen Stein, yes yes, zu nassen kleinen Steinen unter Wasser, no no, eilen wir vorwärts.

Schon nach den ersten Minuten haben wir unsere Ängste und Sorgen irgendwo hinter uns gelassen. Die Angst, nicht mitgekommen, bei dem schnellen Tempo des Guides. Der vielleicht auch deshalb so schnell war, um uns nicht die Gelegenheit zu geben, darüber nachzudenken, was gerade passiert.

Abseilen. Karabiner auf. Etwas Drehen, dann etwas lockern. An die Wand. Schön zurücklehnen und an der Wand runter spazieren. Dem Seil und dem Guide vertrauen.

Das Wort ist nicht einmal gefallen und doch vertrauen wir unser Leben und unsere Gesundheit einem Menschen an, den wir nicht einmal 30 Minuten lang kennen.

Einem Mann, der eine große Schramme auf der linken Schulter hat, die so aussieht, als hätte ihm einer den Arm absägen wollen. Der Guide wirkt routiniert und selbstsicher. Das flößt uns Vertrauen ein.

Ausstieg über Trampelpfade mit Steigung

Alles in Ordnung. Erleichterung. Man steht auf der Erde mit dem Seil in der Hand, zwar halb unter Wasser aber man steht. Unten angekommen. Karabiner auf. Seil weg. Warten auf andere.

120 Minuten dauert dieses Abenteuer. Krass. Einfach nur krass. Unglaubliche Natur. Gefahr. Bewegung. Frische Luft. Frisches Wasser in den Schuhen. Mehr Action geht kaum, denke ich mir.

Dann beginnt der Ausstieg. Warum sagt man Ausstieg? Warum nicht: Wir sind da? Wie lange kanns denn dauern bis man wieder an der Base ist? Minuten vergehen. Wir steigen auf. Halten uns an Baumwurzeln fest, die an den Hängen der Alpen wachsen. Die Wege sind keine richtigen Wege. Gefährliche Trampelpfade mit Steigung wäre die passende Beschreibung.

Völlig egal. Nach unseren Wasserabenteuern ist es fast wie ein Spaziergang an der Kö – Meter für Meter kämpft man sich durch. Rechts von uns ist ein tiefer Abgrund. Irgendwo dort unten hören und sehen wir Wasser. Fallen sollte man nicht. Könnte gefährlich werden.

Alle am noch am Leben?

Und dann ist es vorbei. Wir sind an einer Straße. In voller Montur. Werden von den vorbeifahrenden Autos begafft. Wie Höhlenforscher sehen wir aus, mit unseren Anzügen und Helmen. Im Auto sitzen wir geschafft. Körperlich und mental sehr erschöpft.

Unglaubliche Erfahrung. Kein Debriefing von unserem Guide. Keine Ansprache und keine Glückwünsche, dass wir es alle überlebt haben. Keiner ist unkontrolliert gestürzt. Ertrunken. Irgendwo stecken geblieben.

Warum auch. Zu gewohnt ist das Ganze für unseren Guide, dessen Namen ich vor lauter Aufregung nicht bei mir halten konnte.

Zu schnell ist es vorbei. Ist es auch so schnell vorbei, wenn etwas passieren sollte, frage ich mich und lasse die Frage unbeantwortet.

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