Extremsport

Mindset im Extremsport – Hunger nach Abenteuern

Es gibt viele Gründe, warum wir Abenteuer suchen. Eigene Grenzen erweitern, Ängste überwinden. Erfahre mehr über Psychologie im Extremsport.

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Giovanni Calia

Irgendwo in Spanien stehen sich ein Matador und ein Stier gegenüber. Beide Akteure des gefährlichen Spektakels verfolgen jede Bewegung des anderen und sind konzentriert.

Sie sind bereit und angespannt. Was würden wir sehen, wenn wir in die Gedanken des Matadors eintauchen würden? Was bringt ihn dazu, sich vor einen Stier zu stellen und das eigene Leben zu riskieren?

SUCHE NACH MOTIVEN

Was ist die Motivation des Matadors? Warum steht er in dieser Arena? Natürlich ist es sein Job, aber welche Motive standen hinter seinem Verhalten? Laut Kerr und Mackenzie (2012) gibt es viele Gründe, warum Menschen Abenteuer im Sport suchen. Persönliche Grenzen testen und erweitern. Ängste überwinden. Der Langeweile entfliehen. Eigene Ziele erreichen.

Andere Forscher erklären die Lust auf Extremsport mit der Suche nach Freiheit (Brymer & Schweitzer, 2013). Will man den Regeln und Routinen des Alltags entkommen und sucht das Ventil in der Gefahr und im Risiko? Oder ist es unsere Persönlichkeit, die uns risikofreudig macht (Breivik, 2011)?

„I want to do something thats fun and challenging – physically, mentally. And also because there is risk.“ – Riversurfer

Kerr & Mackenzie (2012)

ANDERS, ABER ÄHNLICH

Während die Wissenschaft versucht eine Lösung für diese Frage zu finden, wechseln wir die Perspektive und akzeptieren, dass es dafür diverse Motive gibt. Sie ähneln sich, unterscheiden sich aber auch – eigentlich ist es wie das Einschlafen.

Das menschliche Schlafverhalten ist eigentlich sehr änhlich, denn wir gehen zu ähnlichen Zeiten ins Bett, stehen zu ähnlichen Zeiten auf, putzen uns davor und danach meist die Zähne und stöpseln unsere Geräte in die Steckdosen ein.

Und doch unterscheidet sich unser Schlafverhalten, einige schlafen in vollkommener Dunkelheit, einige mit einer Geräuschkulisse, einige mit eingeschaltetem Handy, einige wachen nachts auf um zu trinken etc. Es gibt schlichtweg so viele Motivationen wie es Menschen gibt.

In einigen Facetten ähneln sich die Motive, aber insgesamt bleibt es doch sehr individuell. Ähnlich ist es auch im Sport – wir wollen zu einer Gruppe gehören oder unabhängig sein, aber für jeden bedeutet das etwas anderes und es gibt keine objektive Möglichkeit, um das in Form zu pressen.

„Once you’re over the scary bit there, then you feel pretty good… I’ve been enjoying it because its very, very exciting.”

Kerr & Mackenzie (2012)

PSYCHOLOGISCHE STRATEGIEN DER BESTEN

Verlagern wir unseren Fokus darauf, wie wir das Wissen von Leistungs- und Extremsportlern nutzen können. Was können wir von ihnen lernen? Welche psychologischen Strategien nutzen sie, neben dem körperlichen Training, um ihre Herausforderungen zu meistern?

Es ist bekannt, dass erfolgreiche Sportler, die z.B. an Olympischen Spielen teilnehmen, sich in ihrer psychologischen Vorbereitung stark von den durchschnittlichen Sportlern unterscheiden (Orlick & Partington, 1988).

    • Sie setzen sich klare und herausfordernde Ziele, die ihr Verhalten strukturieren, leiten und motivieren.
    • Sie trainieren die Bewegungsabläufe und Techniken mit geschlossenen Augen, um die Vernetzung der Schaltkreise im Gehirn zu unterstützen.
    • Im Training simulieren sie die Wettkampfbedingungen so gut wie möglich, um auf den Wettkampf vorbereitet zu sein. Und von vornherein bekannte Störfaktoren ausblenden zu können, ohne sich davon irritieren zu lassen.

SIEBEN ELEMENTE DES ERFOLGS

Orlick (2000) extrahierte sieben Elemente, die zu besonderer Leistung beitragen. Engagement und Entschlossenheit das Ziel zu erreichen (Commitment). Fokussierte Verbindung (Focused Connection), das man als achtsame Verbindung mit der Welt bezeichnen könnte, also das vollständige Eintauchen in das Training oder die Tätigkeit.

Selbstsicherheit (Confidence). Positive Vorstellungen, Modelle und Beispiele (Positive Images). Mentale Bereitschaft (Mental Readiness). Fähigkeit, mit Ablenkungen umzugehen (Distraction Control). Kontinuierliches Lernen (Ongoing Learning).

Folge dem Link, um mehr über Mentaltraining zu erfahren.

PSYCHOLOGISCHE TOOLS FÜR EXTREMSITUATIONEN

Einen anderen Ansatz verfolgte Burke (2003), als er sieben Bergsteiger befragte, die Mount Everest erfolgreich bestiegen haben. Welche psychologische Vorbereitung und welche Strategien verfolgten die Bergsteiger vor und während der Aufstiegs?

Visualisierung – Die Befragten berichteten, dass sie sich bei der Vorbereitung immer wieder vorgestellt haben, wie sie oben auf dem Berg stehen. Einige sagten, dass sie sich vorstellten, wie schwer es sein wird und wie sie den einen Fuß vor den anderen setzen und durchhalten.

Entwicklung mentaler Stärke – Viele berichteten, dass sie sich an die eigenen Grenzen heranführten, um psychologische Widerstandsfähigkeit zu trainieren. Ein Kletterer erzählte, dass er bei einem seiner Aufstiege (nicht zum Everest) von einem Felsen erwischt wurde und sein Arm gebrochen war, ohne dass er das wusste (S.46). Er zwang sich zum Weitermachen und brachte den Aufstieg zum Ende.

Ein anderer Kletterer betonte, dass der Everest Aufstieg ein kontinuierliches Leiden voraussetzt. Um den Aufstieg zu schaffen, muss man schon vorher abgehärtet sein und bereit sein, wochenlang zu leiden und den Frieden damit finden, unzufrieden zu sein (become comfortable being uncomfortable).

Kurzfristige Zielsetzung – Vor allem in schwierigen Phasen fiel es den meisten schwer, optimistisch und motiviert zu bleiben, weil das Ziel noch so weit entfernt lag. Die Fähigkeit kleine Ziele zu setzen, ist von entscheidender Bedeutung, um das eigene Verhalten zu strukturieren und durchzuhalten.

Nutze die Hinweise dieses Beitrags, um deine psychologischen Ressourcen zu aktivieren und auszubauen.

QUELLEN

Breivik, G. (2011). Dangerous play with the elements: Towards a phenomenology of risk sports. Sport, Ethics and Philosophy, 5(3), 314-330.

Brymer, E., & Schweitzer, R. (2013). The search for freedom in extreme sports: A phenomenological exploration. Psychology of Sport and Exercise, 14(6), 865-873.

Burke, S. (2003). Mental strategies of elite Mount Everest climbers (Doctoral dissertation, University of Ottawa (Canada)).

Kerr, J. H., & Mackenzie, S. H. (2012). Multiple motives for participating in adventure sports. Psychology of Sport and Exercise, 13(5), 649-657.

Orlick, T., & Partington, J. (1988). Mental links to excellence. The sport psychologist, 2(2), 105-130.

Varley, P. J. (2011). Sea kayakers at the margins: The liminoid character of contemporary adventures. Leisure Studies, 30(1), 85-98.