Anton Samsonov

Psychologische Hilfe & Coaching

a.samsonov@thepsychologist.de

Monat: Dezember 2018

  • Eine kritische Haltung

    Eine kritische Haltung

     energy.gov | Public domain |  via Wikimedia Commons

    Warum sind die Dinge so, wie sie sind? Warum haben wir zwei Augen und nicht vier? Warum spüren wir nicht die Bewegung der Erde, obwohl sie sich immer dreht? Warum haben wir manchmal Angst? Warum gibt es Krieg? Wir stellen Fragen und versuchen sie zu beantworten.

    Das ist unsere Natur. Diese Neugier, Dinge und Prozesse zu verstehen, bringt auch dich dazu, diesen Beitrag zu lesen. Dieselbe Neugier bewegt auch die Wissenschaft. Die Wissenschaft versucht Dinge, die wir wahrnehmen, zu erklären, zu verstehen und zu verändern. Für das wissenschaftliche Arbeiten reicht die Neugier natürlich nicht aus.


    Die Neugier ist der Ursprung der Wissenschaft – Photo by Alex Block on Unsplash

    Kritische Haltung – eine Komponente, die in der Wissenschaft eine besondere Stellung einnimmt und unsere Aufmerksamkeit verdient. Nach dem Lesen des Buches von Richard Feynman komme ich nicht umher, etwas darüber zu schreiben (Surely You’re Joking, Mr.Feynman!, 1985).

    Der Autor ist ein renommierter Physiker, Nobelpreisträger, der unter anderem für seine Arbeit zur Quantenelektrodynamik bekannt ist, von der ich nicht die geringste Ahnung habe. In seinem Buch prägt er den Begriff der Cargo-Kult-Wissenschaft und meint damit eine Wissenschaft, die nur so tut, als sei sie eine – eine scheinbare Wissenschaft.

    Eine solche Wissenschaft, verwendet die „richtigen“ wissenschaftlichen Methoden und erfüllt die Kriterien, bleibt ansonsten aber leer und sinnlos. Das bloße Kopieren von Methoden ergibt noch keine Wissenschaft.

    Bloß weil man einen weißen Kittel trägt, objektive Fragebögen entwickelt und inferenzstatistische Methoden verwendet, muss dieses Vorgehen nicht zu gültigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beitragen. Genauso wenig, wie das Kopieren von Bewegungen eines Golfprofis dazu beiträgt, dass man selbst zu einem Golfprofi wird.

    Beim Lesen musste ich zwangsweise an meine eigenen Disziplinen der Psychologie und Sportpsychologie denken. Psychologie ist eine Wissenschaft. Sie erfüllt auch die formalen Kriterien einer Wissenschaft, sie sollte sich aber dennoch immer wieder kritisch hinterfragen, um nicht bloß eine Scheinwissenschaft zu sein.

    Das gilt für andere Wissenschaften in gleicher Weise. Sind wir in der Lage, eine kritische Haltung gegenüber unserer eigenen Wissenschaft einzunehmen? Können wir die etablierten Prinzipien und Vorgehen hinterfragen, um die Qualität der Erkenntnisse zu sichern? Diese Qualitätssicherung fängt mit unserem Denken an.

    „You must not fool yourself – and you are the easiest person to fool” | Surely You’re Joking, Mr.Feynman!, 1985

    Hinterfrage dich selbst. Diese Aufforderung gilt einer Wissenschaftsdisziplin wie Psychologie, genauso wie jedem einzelnen von uns, dem Wissenschaftler und der einzelnen Person. Hinterfragen wir unsere eigenen Theorien, Annahmen und Hypothesen. Und ich füge hinzu – hinterfragen wir auch uns selbst.

    Quellen

    Feynman, R. P. (1985). Surely you’re joking, Mr. Feynman. Vintage, London, UK.https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Feynmanhttps://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschafthttps://de.wikipedia.org/wiki/Cargo-Kult-Wissenschafthttps://de.wikipedia.org/wiki/Cargo-Kult

  • Erfolg durch Selbstdisziplin

    Erfolg durch Selbstdisziplin

     Aaron Burden

    Selbstdisziplin, Selbstbeherrschung, Selbstkontrolle – alles Begriffe, die uns bekannt sind. Doch sind sie relevant für unser Leben, unsere Arbeit und unseren Sport? In diesem Beitrag möchte ich diese Frage beantworten und andere Fragen aufwerfen.

    Trägt Selbstdisziplin (SD) zum Erfolg im Leben und im Sport bei?

    Ist SD anerzogen, angeboren oder antrainiert?

    Und wenn sie trainierbar ist, wie kann man sie trainieren?

    Selbstdisziplin ist die Fähigkeit zur Selbststeuerung und beeinflusst, wie du dein Verhalten in guten und in schlechten Zeiten steuerst. Vor allem bei mehreren Zielen, die miteinander im Konflikt stehen, spielt Selbstdisziplin eine wichtige Rolle [1].

    Wie entscheidet sich die Frau im Bild unten? Traut sie sich ins Wasser und geht das Risiko ein, dass sie einem Hai begegnet? Oder verweigert sie sich jetzt den Spaß und widmet ihre Aufmerksamkeit etwas anderem? Falls sie sich gegen das Schwimmen entscheidet, spricht das für die Stärke ihrer Selbstdisziplin?

    Gehen oder nicht gehen? Ein Zielkonflikt, der Selbstdisziplin erfordert, falls sie nicht ins Wasser geht – Photo by Lubo Minar on Unsplash

    Warum interessieren wir uns für Selbstdisziplin?

    Wenn wir über Erfolg in der Schule, bei der Arbeit und im Leben sprechen – was hat mehr positiven Einfluss, Intelligenz oder Selbstdisziplin? Einige Studien legen nahe, dass Selbstdisziplin die Nase vorne hat.

    So zeigten z.B. Duckworth und Seligman (2005), dass SD die Noten von Achtklässlern besser vorhersagt als Intelligenz [2]. Der Notendurchschnitt war bei den disziplinierten Schülern im Durchschnitt besser als bei den intelligenteren Schülern.

    Für diejenigen unter euch, die ein paar Zahlen sehen wollen: die Korrelation zwischen Selbstdisziplin und Notendurchschnitt lag bei r =.67; zwischen Intelligenz und Notendurchschnitt bei r =.32. Mit anderen Worten, ein Kind, das sehr diszipliniert ist, dafür aber weniger intelligent, wird im Durchschnitt bessere Noten haben, als ein Kind, das zwar intelligenter ist, aber wenig Selbstdisziplin besitzt.

    Die Forscher fassen ihre Ergebnisse folgendermaßen zusammen:  „Selbstdisziplin hat mehr Einfluss auf schulische und akademische Leistung, als Intelligenz“ (Duckworth & Seligman, 2005, S.943). Starke Worte. Wie sieht es bei Erwachsenen aus?

    Lang lebe die Selbstdisziplin – Langlebigkeit bei Erwachsenen

    Es gibt auch Hinweise dafür, dass Selbstdisziplin zu einem langen Leben beiträgt = disziplinierte Menschen leben länger (Weiss & Costa, 2005) [3]. Und wieso? Die Forscher nehmen an, dass selbstdisziplinierte Menschen sich proaktiv (frühzeitig und aktiv) um ihre Gesundheit und um ihr Wohlbefinden kümmern und Aktivitäten vermeiden, die ihnen schädlich sein können. Beispiele?

    Verletzt trainieren
    Texten und Fahren
    Andere Dinge tun, die gefährlich aussehen

    Die aufgeführten Beispiele sollen demonstrieren, dass ein Mangel an Selbstdisziplin zu schädlichem oder sogar tödlichem Verhalten beitragen kann. Mir geht es hier allerdings nicht um den moralischen Zeigefinger – ich möchte nicht sagen, was gut oder schlecht ist. Ich möchte lediglich den Punkt verdeutlichen, dass Selbstdisziplin sich auf schulischen Erfolg, Gesundheit und sogar unser Überleben auswirken kann. Die Fähigkeit, kurzfristigen Belohnungen zu widerstehen, um sich langfristige Vorteile zu erarbeiten, kann zu einem erfolgreichen und langen Leben führen. Auch in der Studie von Kern und Friedman (2008) zeigte sich, dass der Zusammenhang zwischen Langlebigkeit und Selbstdisziplin bedeutend ist (r =.11) und übrigens auch größer ist, als der Zusammenhang zwischen Langlebigkeit und Intelligenz (r =.07) [4]. Auch hier zieht Intelligenz den Kürzeren, soll aber nicht heißen, dass Intelligenz keine wichtige Rolle spielt. Nach wie vor zählt IQ zu den psychologischen Konstrukten, die das menschliche Verhalten bedeutend vorhersagen können. Wir führen uns allerdings vor Augen, dass einige Fähigkeiten, wie Selbstdisziplin, darin noch besser sein können. 

    Erfolg durch Selbstdisziplin im Sport

    Quellen

    [1] Baumann, N. & Kuhl, J. (2018). Selbstdisziplin. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie. Abgerufen am 04.12.2018, von https://m.portal.hogrefe.com/dorsch/selbstdisziplin/

    [2] Duckworth, A. L., & Seligman, M. E. (2005). Self-discipline outdoes IQ in predicting academic performance of adolescents. Psychological science, 16(12), 939-944.

    [3] Weiss, A., & Costa Jr, P. T. (2005). Domain and facet personality predictors of all-cause mortality among Medicare patients aged 65 to 100. Psychosomatic medicine, 67(5), 724-733.

    [4] Kern, M. L., & Friedman, H. S. (2008). Do conscientious individuals live longer? A quantitative review. Health psychology, 27(5), 505.