Anton Samsonov

Psychologische Hilfe & Coaching

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Schlagwort: Routinen

  • Neue Gewohnheiten pflanzen

    Neue Gewohnheiten pflanzen

    Credit for the photo – Aaron Burden

    Gewohnheiten können uns das Leben erleichtern oder erschweren. Rauchen, übermäßiges Essen, Chatten bis zum Umfallen, zu wenig Schlaf – es gibt eine Reihe schlechter Gewohnheiten. Manchmal kann es sich anfühlen, als hätten wir unsere Gewohnheiten nicht im Griff. Als hätten wir lange Zeit ein Ungeheuer gezüchtet, das uns aufzufressen droht.

    Es lässt sich leicht vergessen, dass wir jederzeit die Möglichkeit haben, neue Gewohnheiten zu formen. Denn es gibt eine ganze Reihe Gewohnheiten, die unser Leben reicher, gesünder und angenehmer machen können – viel Bewegung, Sport, Arbeit im Verein, gesunde Ernährung, regelmäßiger Kontakt zu Freunden, ausreichend Schlaf, eine produktive Arbeitshaltung.

    An sich zu arbeiten und neue Gewohnheiten zu entwickeln ist nicht einfach. Ziele zu verfolgen und sich jedes Mal aufs Neue zu motivieren, das kann sich wie schwere Arbeit anfühlen.

    Pflanze deine Gewohnheit wie einen Baum. Es wächst von alleine, wenn du für gute Bedingungen sorgst. Fange klein an, mach kleine aber regelmäßige Schritte und deine Gewohnheit wird wachsen.

  • Routinen und Gewohnheiten im Sport

    Routinen und Gewohnheiten im Sport

    Kannst du dir vorstellen, in einer Welt zu leben, in der kein Lernen notwendig ist? Wenn du und alle anderen ein fotografisches Gedächtnis hätten und alles sofort merken würden. Wenn du Bewegungsabläufe nach einmaliger Wiederholung perfekt ausführen könntest.

    Kannst du dir vorstellen, wie Sport aussehen würde, wenn unser Wissen und unser Können keinen Zufall mehr beinhalten würde? Wäre es überhaupt noch Sport und wäre es interessant anzusehen? Man kann es nicht genau sagen, aber es könnte ungefähr so aussehen…folge dem Link, um ein spannendes Robotermatch zu sehen (zum Youtube-Video).

    Zuverlässig wie Roboter

    Nun, wir sind in unseren Bewegungen nicht so konsistent und zuverlässig wie Roboter, obwohl wir versuchen es in allen Sporarten zu sein. Wir möchten zwar nicht wie Roboter sein, aber wir streben danach, unsere Bewegungen zu standardisieren und zu automatisieren.

    Dafür trainieren wir die gleichen Bewegungen, um der Perfektion näher zu kommen. Willkommen in der Welt der Routinen! Als Routine bezeichnen wir eine „Handlung, die durch mehrfaches Wiederholen zur Gewohnheit wird“. Lass uns mal darüber nachdenken, was man im Alltag routiniert ausführt:

    Morgens den Wecker ausmachen

    Licht einschalten

    Zähneputzen (der Klassiker)

    Kaffeemaschine einschalten

    Brot mit Butter bestreichen

    Socken anziehen

    Schnürsenkel binden

    Tür abschließen

    Fahrradfahren

    Autofahren

    Freiheit durch das prozedurale Gedächtnis

    Wir sind noch lange nicht fertig – die Liste könnte noch deutlich länger werden. In unserem Alltag gibt es sehr viele Routinen, die keine Überlegung erfordern. Du bindest dir die Schuhe und kannst währenddessen nachdenken, welchen Weg du zur Arbeit nimmst. Die automatische Ausführung von Bewegungen wird durch das prozedurale Gedächtnis unseres Gehirns gesteuert.

    Dieser Teil unseres Gedächtnisses ermöglicht uns, komplexe Bewegungen ohne Nachdenken auszuführen und unsere „gedankliche Freheit“ zu bewahren. Das trifft natürlich auch auf Sport zu – wir führen komplexe Bewegungsabläufe aus, häufig ohne darüber nachdenken zu müssen, wie wir es tun.

    Übung – Persönliche Routinen

    Wenn du aus diesem Beitrag etwas mitnehmen möchtest, dann besorge dir jetzt einen Stift und ein Blatt Papier. Schreibe alle Routinen auf, die du in deinem Sport ausführst. Also welche Bewegungen und Handlungen „passieren automatisch“, ohne dass du eine bewusste Entscheidung treffen musst, diese Bewegung auszuführen?

    Erstelle diese Liste jetzt. Geize bitte nicht mit Details – notiere dir alles, was in den Sinn kommt.

    Mit dieser Übung erlangst du ein Stück Bewusstsein über deine automatisierten Bewegungen im Sport. Mache nicht den Fehler zu glauben, dass du das im Training machen oder dass du dir später die Zeit dafür nehmen wirst. Das wird wahrscheinlich nicht passieren.

    Wenn du dich verbessern willst, dann tue es jetzt und schiebe es nicht auf. Sehr häufig erlebe ich, dass während eines Spiels versucht wird, die eigenen Fehler zu korrigieren. Manchmal kann es gelingen und unter bestimmten Umständen kann es sinnvoll sein, aber in der Regel ist die Fehlerkorrektur während des Spiels nicht hilfreich.

    *Anmerkung – eine leichte Anpassung und Korrektur unserer Bewegungen ist natürlich sinnvoll und logisch, aber eben nicht eine tiefgreifende Analyse oder Auseinandersetzung mit dem „WARUM funktioniert das nicht“ und dem „WAS mache ich falsch“.

    In einem Spiel müssen wir uns auf die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse verlassen können. Die Zeit, um nachzudenken und Fehler zu korrigieren, ist nicht während des Spiels, sondern jetzt oder eben vor dem Training.

    Fehlerkorrektur

    Ich skizziere kurz das Problem, warum eine tiefgreifende Fehlerkorrektur während eines Spiels selten sinnvoll ist. Während des Trainings oder wenn alles gut läuft, dann verlässt du dich auf deine Fähigkeiten und hinterfragst nicht deine Technik. Du fliegst also hauptsächlich auf Autopilot und steuerst nur einige Bewegungen und Impulse mit deinem Bewusstsein (der linke Balken unten in der Grafik).

    Wenn du dann auf einmal versuchst, Probleme zu lösen und andere Dinge in die eigene Hand zu nehmen, vor allem in stressreichen und anspruchsvollen Situationen, wie im Wettkampf, wirfst du dich selbst aus der Balance. Wenn du also einen passenden Zeitpunkt suchst, um etwas zu verändern oder zu überdenken, dann ist es jetzt oder z.B. vor dem Training.

    Wenn’s schlecht läuft, dann haben die meisten Sportler die Tendenz zum Grübeln und Nachdenken. Dadurch wird das Bewusstsein stärker als gewöhnlich beansprucht und das kann zur Verschlechterung der Leistung beitragen.

    Wenn du nun deine Routinen aufgeschrieben und dir einen Überblick verschafft hast, dann kannst du an die Modifizierung der Routinen gehen. Welche Bewegungen und Handlungsmuster sind leistungsförderlich und welche hinderlich? Ein paar Beispiele:

    Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass es leicht ist, denn es ist nicht leicht. Dafür brauchst du zum einen das Wissen, was für deine Leistung „förderlich“ und was „hinderlich“ ist. Und zum anderen die Zeit und den Willen, es umzusetzen. Welche Bewegungen und Handlungen sind für deine Leistung förderlich und welche sind hinderlich? Einen guten Hinweis für hinderliche und suboptimale Routinen liefert die Frage: Welche Bewegungen bereust du häufig, nachdem du sie ausgeführt hast?

    Routine als mentale Vorbereitung

    Es ist üblich, dass sich Bewegungen einschleifen, nicht weil sie sinnvoll oder erfolgsversprechend sind, sondern weil sie einfach oft genug wiederholt werden, ohne dass sie vom Trainer oder von dir korrigiert werden. Du kannst deine sportliche Leistung verbessern oder zumindest konstant halten, indem du ungeeignete Routinen modifizierst und neue Routinen bewusst erstellst oder ersetzst.

    Nehmen wir ein prominentes Beispiel. Die Eishockeykenner werden den Spieler Wayne Gretzky sehr gut kennen, der zu den besten Eishockeyspieler aller Zeiten gehört. Seine Routine vor den Spielen bestand darin, vier Hot-Dogs mit Zwiebeln und Senf zu essen und das ganze mit einer Diät-Cola runterzuspülen. Es ist eigenartig das von einem Spieler zu erfahren, der bekanntermaßen viel Wert auf eine ausgewogene Diät und Ernährung gelegt hatte (zum Artikel).

    In diesem Videointerview erzählt er ebenfalls davon, dass er nicht nur die physische, sondern auch die mentale Vorbereitung für sehr wichtig hält. Sehr viel Wert legte er deshalb auf die Ausführung seiner Routinen.

    Und welche Routinen hast du?

    Routinen erleichtern uns den Umgang mit komplexen Situationen und sind für unseren Erfolg entscheidend. Doch nicht alle unsere Routinen sind hilfreich und erfordern unsere Aufmerksamkeit. Kennst du dich nach diesem Beitrag besser mit deinen Routinen aus?

  • Placebo im Sport

    Placebo im Sport

    Dank für das Foto geht an pina messina


    Placebo ist Vielen als Scheinmedizin bekannt. Der Arzt verschreibt eine Tablette gegen Kopfschmerzen und diese verschwinden, obwohl die Tablette keine Heilmittel enthält (1). Dürfen Ärzte solche Tabletten verschreiben?

    Unwirksame Pillen

    Eigentlich nicht, aber in diesem Artikel (2) geben 88% der bayerischen Ärzte an, Placebos zu nutzen, also Zuckerpillen oder Vitaminpillen. Im selben Artikel wird spekuliert, dass mehr als 50% aller Ärzte Placebos nutzen. Wenn du also mit leichten Kopfschmerzen zum Arzt gehst, dann ist es möglich, dass du unwirksame Pillen bekommst. Die Ärzte dürfen solche Scheinmedikamente aber nur verschreiben, wenn du keine ernsthafte Erkrankung hast. Mehr Infos zum Placebo in der Medizin gibt’s unter diesem Link.

    Placebos im Sport

    Wie würde es bei einem Placebo im Sport aussehen? Würde eine Kraftpille meine Leistung steigern, auch wenn es keine Kraftpille wäre? Zum Beispiel beim Stemmen von Gewichten.

    Placebos beim Bankdrücken kamen in der Studie von Kalasountas, Reed und Fitzpatrick (2007) zum Einsatz. Zuerst wurde geschaut, wie viel Gewicht die Person im Standardtraining heben kann. Dann wurden zwei Gruppen gebildet. Der Placebogruppe wurde gesagt, dass sie eine leistungssteigernde Tablette bekommt, die aus angereicherten Aminosäuren besteht.

    Der Kontrollgruppe wurde mitgeteilt, dass sie eine Tablette aus Zucker und Milch bekommt. Beide Gruppen bekamen natürlich identische Tabletten, die aus Zucker waren und keine bedeutende Wirkung auf Leistung haben. Anschließend wurde wieder Gewicht gestemmt. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe, verbesserte sich die Kraftleistung der Placebogruppe deutlich. Für die Statistikfreunde unter uns – der Effekt war auf einem Niveau von p < .01 signifikant.

    Zum Ende wurde den Personen noch mitgeteilt, dass sie getäuscht wurden und die Pillen doch keine leistungssteigernden Mittel enthalten. Beide Gruppen bekamen noch eine Tablette und durften noch ein letztes Mal Gewicht stemmen. Die Leistung der Placebogruppe verschlechterte sich daraufhin und sank auf das Normalniveau zurück. Daraus kann man vorsichtig schließen, dass die Steigerung der Leistung eng mit dem Glauben daran verbunden war, dass eine Pille die Kraftreserven steigern kann.

    Scheindoping bei Läufern

    Eine weitere Forschungsarbeit wurde mit Läufern durchgeführt (Wright et al., 2009). Trainierte Läufer wurden gebeten 5 Kilometer auf Zeit zu laufen. 30 Minuten vor dem Lauf bekam die Kontrollgruppe 300 ml normales Wasser und der Placebogruppe wurde 300 ml Super-Wasser verabreicht. Auf der Flasche stand entweder „Water“ oder „Super-oxygenated water“. Die Personen aus der Placebo-Gruppe liefen um 6,5% schneller als die Kontrollgruppe.

    Weniger Schmerz durch Scheinmedizin

    Ein letztes Beispiel aus der Wissenschaft soll die Macht von Placebos eindrucksvoll demonstrieren (Benedetti, Pollo und Colloca, 2007). Teilnehmer nahmen an einem Schmerztest teil, es wurde geschaut wie viel Schmerz sie aushalten können. Insgesamt gab es drei Schmerztests an drei aufeinanderfolgenden Wochen. Die ersten zwei Wochen wurde der Placebogruppe Morphin gegeben, damit sie den Schmerz länger ertragen kann. In der dritten Woche wurde ein Placebo statt Morphin verabreicht – der Person wurde allerdings versichert, dass es Morphin ist. Obwohl die Person kein Präparat erhielt, konnte sie den Schmerz ziemlich lang aushalten. Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass Placebos auch als Doping eingesetzt werden können (6).

    Wie man´s machen kann: Beim Training wird dem Sportler Doping verabreicht, er wird darauf konditioniert zu glauben, dass sich seine Leistung steigert wenn er eine Spritze oder Tablette bekommt. Unmittelbar vor dem Wettkampf bekommt er dagegen nur ein Placebo. Wenn der Sportler keine Zweifel hat, dass es Doping ist das er bekommt, dann wird sich seine Leistung wahrscheinlich steigern und das ganz legal.

    „Der Glaube steigert die Leistung“ – so kann man die Wirkung von Placebos grob zusammenfassen. Logischerweise ist der Effekt von Placebos kleiner wenn die Person vermutet, dass sie eine Pille bekommt, die nichts enthält. Natürlich ist der Placeboeffekt nicht bei allen Krankheiten, Störungen und Problemen gleichermaßen stark – mehr dazu hier (Geers et al., 2007). In der aktuellen Metaanalyse von Köteles et al. (2011) wird der Placeboeffekt im Sport im Mittel auf .40 geschätzt (95% Konfidenzintervall .24 – .56).

    Kurz gefasst:

    • Der Placeboeffekt existiert im Sport und hat eine geringe bis mittlere Stärke
    • Für das Auftreten des Effekts muss die Person an die Effektivität des Placeboobjektes glauben (Pille, Spritze, Pulver)
    • Leider können wir uns selbst kein Placebo verabreichen, weil wir wissen, dass es nur ein Placebo ist. Das könnten Trainer machen und da stellt sich die Frage, wann eine Täuschung der Athleten ethisch und sinnvoll ist

    Macht des Glaubens und Aberglaubens

    Der Glaube an ein Placebo und der Aberglaube haben einige Gemeinsamkeiten. An beides glaubt man – im Fall des Placebo ist es etwas Spürbares, Fassbares, Konkretes. Aberglaube dagegen ist rein spekulativ und hat eher mit Vorstellung und Einbildung zu tun. Wir werfen noch einen Blick auf die Handlungen von Profisportlern, die ihren Glauben ausdrücken.

    Der Quarterback der Buffalo Bills (American Football), Jim Kelly, zwang sich vor jedem Spiel zu kotzen. Der Pitcher der New York Nets (Baseball), Turk Wendell, putzte sich zwischen den Innings (Spielabschnitten) die Zähne (Vyse, 2013).

    Manche tragen ihre Glücksbringer mit sich, wie das häufig bei Soldaten ist. Im Krieg haben viele Soldaten eine Bibel über ihrem Herzen angenäht, in der Hoffnung, dass die Bibel sie vor Verletzungen und dem Tod schützt. Patronenhüllen mit dem eigenen Namen sollen beispielsweise Glück im Kampfgeschehen bringen (10).

    Der Eishockeyspieler Wayne Gretzky, Spitzname THE GREAT ONE, gilt als einer der besten Eishockeyspieler aller Zeiten und ist für seinen Aberglauben bekannt (11). So hat er nach dem Aufwärmen seine Getränke immer in dieser Reihenfolge getrunken: Diät Cola, Wasser, Gatorade, Diät Cola. Vor seinen Spielen hat er auch Babypuder auf seinen Schläger gestreut.

    Viele erfolgreiche Sportler sind abergläubisch, aber es gibt mindestens genauso viele Erfolgreiche die es nicht sind. Sie sind nicht so erfolgreich weil sie abergläubisch sind. Vielleicht sind sie eher abergläubisch, weil sie erfolgreich sind.

    Quellen

    (1) https://de.wikipedia.org/wiki/Placebo

    (2) http://www.t-online.de/lifestyle/gesundheit/id_44723260/arzneimittel-jeder-zweite-arzt-verordnet-placebos-.html

    (3) http://www.igm-bosch.de/content/language1/downloads/Placebo_LF_1_17012011.pdf

    (4) Kalasountas, V., Reed, J., & Fitzpatrick, J. (2007). The effect of placebo-induced changes in expectancies on maximal force production in college students. Journal of Applied Sport Psychology, 19(1), 116-124.

    (5) Wright, G., Porcari, J. P., Foster, C. C., Felker, H., Koshololek, A., Otto, J., … & Udermann, B. (2009). Placebo effects on exercise performance. Gundersen Lutheran Medical Journal, 6(1), 3-7.

    (6) Benedetti, F., Pollo, A., & Colloca, L. (2007). Opioid-mediated placebo responses boost pain endurance and physical performance: is it doping in sport competitions?. The Journal of Neuroscience, 27(44), 11934-11939 .

    (7) Geers, A. L., Kosbab, K., Helfer, S. G., Weiland, P. E., & Wellman, J. A. (2007). Further evidence for individual differences in placebo responding: an interactionist perspective. Journal of psychosomatic research, 62(5), 563-570.

    (8) Köteles, F., Bárdos, G., Bérdi, M., & Szabó, A. (2011). Placebo effects in sport and exercise: a meta-analysis. European Journal of Mental Health, (02), 196-212.

    (9) Vyse, S. A. (2013). Believing in Magic: The Psychology of Superstition-Updated Edition. Oxford University Press.

    (10) http://newworldwitchery.com/2014/05/26/blog-post-190-some-military-superstitions/

    (11) https://en.wikipedia.org/wiki/Wayne_Gretzky