Anton Samsonov

Psychologische Hilfe & Coaching

a.samsonov@thepsychologist.de

Schlagwort: Kreativität

  • Weekly Psychologie Update #3 – Veränderung, Priorisierung, Persönlichkeit, Originalität

    Zeit ist knapp und psychologische Information ist im Überfluss vorhanden.

    Mit diesem Weekly Psychologie Update
    #3 möchte ich dir eine Auswahl der Menschen und psychologischen
    Erkenntnisse, Links, Bücher, Podcasts geben, denen ich während der Woche
    begegne.

    Ich hoffe, du findest sie hilfreich.

    #Persönliche Veränderung – Transtheoretisches Modell

    Warum scheitern viele Ziele und Vorhaben? Veränderung, vor allem die langfristige Veränderung, ist schwer. Häufig liegt es an der Vorbereitung und im Voraus durchdachten Prozessen, die wir auch langfristig durchhalten können. Es gibt ein Modell, das aufzeigt, welche Phasen wir durchlaufen müssen, um uns zu verändern:

    Transtheoretisches Modell – Wikipedia

    https://www.schweitzer.tirol/blog/gesundheit/stufen-der-verhaltensaenderung

    #Vergesslichkeit

    Gedächtnis kann man trainieren. Hier sind die Hacks (auch für die, die meinen, kein gutes Gedächtnis zu haben):

    https://www.gegen-das-vergessen.net/vorbeugung/das-gedaechtnis-trainieren/training-fuer-das-gedaechtnis.html

    #Positionierung und Marketing

    Je mehr Angebote auf dem Markt sind, desto wichtiger ist es, sich zu positionieren und für etwas zu stehen. Es ist gar nicht so einfach wie es klingt. April Dunford klärt auf:

    https://www.aprildunford.com/obviously-awesome

    #Priorisierung ist das halbe Leben

    Wir haben nicht genug Zeit und werden nie genug davon haben. Wenn du nur eine, die wichtigste, Aufgabe am Tag erledigen würdest – welche wäre das?

    Link zum Buch

    #Learning & Development Tipps

    https://www.youtube.com/watch?v=Io9dCIvza2Q

    #Kommunikationsmodell Mehrabian

    Hast du auch schon mal gehört, dass Kommunikation vor allem durch Stimme und Körpersprache bestimmt wird und viel weniger über Wörter und Inhalt? Häufig wird dazu das Modell von Mehrabian zitiert, allerdings ist das nicht ganz richtig. Lies mehr darüber hier: Link

    #Persönlichkeit beeinflusst unser Leben

    Es gibt fünf universelle Persönlichkeitseigenschaften, die unser Verhalten und Erleben maßgeblich beeinflussen. Kennst du sie schon:

    https://greator.com/big-five-persoenlichkeitsmerkmale/

    #Gefühle und Stimmungen an den Augen ablesen – Test zum Ausprobieren

    Menschen unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, Gefühle bei sich und anderen zu erkennen. Hier ist ein Test:

    https://autismus-spektrum.ch/test/reading-mind-in-the-eyes-test/

    #McKinsey über Talent, Kultur und Veränderung

    Deep expertise, data analytics, and a proven framework helps leaders more than double their odds of delivering successful change at scale.

    https://www.mckinsey.com/capabilities/people-and-organizational-performance/how-we-help-clients

    #In Workshops Praxisfälle sammeln

    In Trainings und Workshops ist häufig der Wunsch da, eigene Herausforderungen zu bearbeiten und auf Fälle einzugehen. Das kostet viel Zeit. In einigen Formaten macht es durchaus Sinn, sich diese Zeit zu nehmen: 35 Min gesamt – 5 Min Instruktion, 10 Min Plakat erstellen, 15 Min Vorstellung: Link zum Buch

    #Fachkräftemangel – Stefan Dietz

    „Man sollte nicht jammern, sondern die Jobs interessanter machen, besser vermarkten und auch dafür begeistern. Jammern hilft nicht – da kriegt man Mitleid, aber keine Bewerber“

    https://www.mdr.de/mdr-um-11/video-691184_zc-98ec0ba0_zs-ab946ce0.html

    https://stefandietz.com/

    #Originalität und Kreativität

    Wer etwas Originelles schaffen möchte, könnte mit dem Kopieren beginnen. Schau, was da ist, bevor du versuchst etwas Neues zu kreieren. So machen es die großartigsten Köpfe – warum nicht auch du:

    https://www.themarginalian.org/2023/01/21/emerson-genius-shakespeare/

    #Psychologische Erkenntnisse – APA Monitor Januar 2023

    Gesamtausgabe: https://www.apa.org/monitor/2023/2023-01-monitor.pdf

    Persönliche Treffen sorgen für mehr Wohlbefinden als virtuelle Treffen, insbesondere mit Freunden, weniger mit Kollegen und Familienmitgliedern: https://psycnet.apa.org/doiLanding?doi=10.1037%2Fpspp0000422

    Sitzen und nachdenken. In einem Experiment hat man Menschen die Gelegenheit gegeben, in einem ruhigen Raum alleine zu sitzen und nachzudenken. Die wenigsten haben erwartet, dass es so viel Spaß macht – die meisten hatten gedacht, dass es langweilig werden würde: https://psycnet.apa.org/doiLanding?doi=10.1037%2Fxge0001255

    Spazieren baut Stress ab. Aber nur dann bedeutend, wenn es in einer ruhigen Gegend passiert, wie in einem Park oder Wald: https://www.nature.com/articles/s41380-022-01720-6

    ART Attention Restoration Theory – Der Aufenthalt im Freien und natürlicher Umgebung füllt unseren Akku auf, sodass wir uns wieder fokussieren können, so die ART-Theorie: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/10937404.2016.1196155

    #Ist Personalentwicklung tot?

    Glaubt man der Befragung von managerSeminare.de, dann zweifeln 19% der befragten Leser an der Zukunftsfähigkeit der Personalentwicklung:

    https://www.managerseminare.de/Themen/Personalentwicklung

    #Motivation Management

    Entscheidungen, Druck, Anforderungen, Erwartungen – das ist alles Psychologie, passiert in unseren Köpfen. Kaum etwas davon ist objektiv, das meiste psychisch und subjektiv gefärbt. Eine der Herausforderung des Managements ist es, die Sichtweise an Mitarbeitende weiterzugeben, um ihre Perspektive zu verändern.

    #Gallup Report 2021 – Motivation

    Viele Mitarbeitende sind bei ihrer Arbeit nicht engagiert und einige arbeiten sogar aktiv gegen ihr Unternehmen. Das kostet deinem Unternehmen und unserer Wirtschaft seeeehr viel Geld. Wie viel, erfährst du in diesem Report (um den Bericht herunterzuladen, musst du deine Daten eingeben):

    https://www.gallup.com/de/321938/engagement-index-deutschland-2020.aspx

    #Fachkräftemangel und Human Resources Mitarbeitende und Personaler

    Glaubt man dem Artikel aus Forbes, fehlt es den meisten HR-Mitarbeitenden an Kompetenzen, um Arbeitsplätze attraktiver, vielseitiger und zukunftsfähiger zu machen:

    “Delivering an employee-centric workplace will require skills that most HR professionals simply don’t have.

    Moving from guesswork to evidence. Without data, you are flying blind. It is no longer enough to rely on whispers, assumptions and feelings. This requires a change of mindset (and new skills) to create a fully data-driven organization.

    Re-equipping leadership. With workers now claiming more ownership and autonomy over their work, your HR department will need to drive an overhaul of leadership and management style throughout the entire organization.

    Introducing the right technology to upscale. To ensure you can scale up your efforts to deliver a better employee experience (and to implement it across various locations), you will need to invest in more fitting technology.

    https://www.forbes.com/sites/forbeshumanresourcescouncil/2021/10/21/hr-professionals-must-be-equipped-to-address-the-biggest-challenge-of-today-talent-shortage/?sh=2fd03a1248ab

    #ChatGPT in Action – „Beschreibe Coaching in 50 Wörtern“

    Coaching ist ein wertvolles Werkzeug, um Ziele zu erreichen und persönliche Entwicklung voranzutreiben. Ein guter Coach unterstützt dabei, die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und auf dem Weg zum Erfolg zu begleiten. Durch gezielte Fragen und Feedback hilft er dabei, persönliche Blockaden zu überwinden und die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern.

    #Jeden Tag glücklich und zufrieden

    Es gibt eine endliche Anzahl an Dingen, die wir brauchen, um uns glücklich und zufrieden zu fühlen, darunter: tanzen oder bewegen, ausreichend schlafen, frische Luft atmen und Sonnenlicht auf der Haut spüren, Freunde oder Kollegen sehen. Mehr dazu hier:

    https://weareglobaltravellers.com/2021/01/how-to-be-happier-tips/

  • Wer bist du, wenn niemand zuschaut?

    Wer bist du, wenn niemand zuschaut?

    Foto von NASA – Unsplash

    MENSCH IM WELTRAUM

    „Die Erdoberfläche befindet sich 400 Kilometer unter mir und huscht mit 28 000 Stundenkilometern an meinem Gesicht vorbei. In meinem Raumanzug fühle ich mich eher wie in einem Miniraumschiff als in einem Kleidungsstück.

    Fast so lange, wie der Mensch in den Weltraum fliegt, ist er entschlossen, aus dem Raumfahrzeug zu klettern. Teilweise, um die Fantasien wahr zu machen, dass ein Mensch allein durch die unermessliche Weite des Kosmos schwebt, wobei ihn allein eine Art Nabelschnur mit dem Mutterschiff verbindet.“ (S. 357, 359; Kelly, 2017).

    Allein durch die Weite des Kosmos zu schweben – tun wir das nicht alle? Schweben wir nicht täglich durch unseren eigenen Kosmos des Lebens? Von Familie, Freunden, Kollegen und Fremden umgeben, aber schlussendlich doch jeder für sich.

    Jeder in seinem eigenen Miniraumschiff aus Werten, Überzeugungen, Einstellungen, Persönlichkeitszügen. Jeder von uns – ein Komponist seines eigenen Handelns und Lebens.


    Photo by Jordan Whitfield on Unsplash

    WENN NIEMAND ZUSCHAUT

    Einige Zeit unseres Lebens verbringen wir in Stille. Nur mit uns selbst. Wenn niemand zuschaut. Wer das Alleinsein zunächst mit etwas Negativem verbindet, ist keineswegs alleine – auch die Forschung legte ihren Schwerpunkt auf Einsamkeit, wie man im Review von Hawkley und Cacioppo (2010) nachlesen kann.

    Nur, um das Thema kurz anzuschneiden – Einsamkeit ist keine objektive persönliche Bewertung der eigenen sozialen Eingebundenheit, sondern eine persönliche Interpretation der Umstände. Im Klartext – was für den einen Einsamkeit bedeutet, ist für den anderen ein ausgelassenes Sozialleben. Es kommt auf deine Bewertung an.

    Das Thema ist von großer Bedeutung, denn einige Studien schätzen, dass zwischen 15 und 30% der Bevölkerung den Zustand der Einsamkeit dauerhaft erleben, also ein chronisches Gefühl von Einsamkeit haben (Heinrich, & Gullone, 2006). Eine beunruhigende Zahl, an deren Reduktion wir mitwirken können, indem wir z.B. Sport machen.

    Sport ist die Universalwaffe des Menschen, denn physische Aktivität sorgt dafür, dass wir körperlich gesund bleiben und trägt zur psychischen Gesundheit (Reduktion der Einsamkeitsgefühle) und zur Schärfung des Verstands bei (Penedo & Dahn, 2005).

    SELBSTVERSTÄNDNIS, REFLEXION, KREATIVITÄT

    Doch das Alleinsein bedeutet nicht Einsamkeit. Der Astronaut Scott Kelly erlebte seinen alleinigen Spaziergang im Weltall als unglaublich. Auch die 175 befragten Astronauten in der Studie von Ihle, Ritsher und Kanas (2006) haben angegeben, dass Sie Ihren Aufenthalt im Weltraum als positiv bewerten.

    Viele Denker und Künstler nutzten die stillen Stunden des Morgens und der Nacht, um kreativ zu sein. Franz Kafka schrieb zwischen 22 und 1 Uhr nachts, um sich in Ruhe zu konzentrieren. Der Komponist Gustav Mahler begab sich zu seinen Zeiten in eine von seinem Haus abgelegene Hütte, um in Ruhe zu denken und zu arbeiten. Seine Frau spielte während dieser Zeit sogar kein Klavier, um ihn nicht beim Denken zu stören (S.41, Currey, 2013).

    Es gibt eine Reihe positiver Effekte, die durch das Alleinsein entstehen, die auch durch Forschungsarbeiten bestätigt werden (Long, Seburn, Averill, & More, 2003). Personen berichten, dass sich ihr Selbstverständnis steigert und sie kreativ sind, wenn sie alleine sind. Auch das Reflektieren über das eigene Leben und Nachdenken über die eigenen Ziele gehören zu den positiven Bestandteilen von Alleinsein.

    WER BIST DU, WENN NIEMAND ZUSCHAUT?

    QUELLEN:

    Currey, M. (Ed.). (2013). Daily rituals: How artists work. Knopf.

    Hawkley, L. C., & Cacioppo, J. T. (2010). Loneliness matters: A theoretical and empirical review of consequences and mechanisms. Annals of behavioral medicine, 40(2), 218-227.

    Heinrich, L. M., & Gullone, E. (2006). The clinical significance of loneliness: A literature review. Clinical psychology review, 26(6), 695-718.

    Ihle, E. C., Ritsher, J. B., & Kanas, N. (2006). Positive psychological outcomes of spaceflight: an empirical study. Aviation, space, and environmental medicine, 77(2), 93-101.

    Long, C. R., Seburn, M., Averill, J. R., & More, T. A. (2003). Solitude experiences: Varieties, settings, and individual differences. Personality and Social Psychology Bulletin, 29(5), 578-583.

    Penedo, F. J., & Dahn, J. R. (2005). Exercise and well-being: a review of mental and physical health benefits associated with physical activity. Current opinion in psychiatry, 18(2), 189-193.

  • Alles eine Frage der Balance

    Alles eine Frage der Balance

    Leonardo da Vinci [Public domain] – Link zum Bild

    Wir suchen nach einer Formel, die uns Zufriedenheit, Gesundheit und Produktivität bringen kann. Doch mich stört das Wort bringen – es klingt so, als müsste man nichts tun, als bekomme man etwas geschenkt. Stimmt natürlich nicht. There is no such thing as a free lunch [1].

    Nichts ist umsonst. Vielleicht dann lieber so: Wir suchen eine Formel, die uns hilft, Zufriedenheit, Gesundheit und Produktivität zu erarbeiten. Wir suchen also nach einem Werkzeug, das hilft, unser Leben schöner zu gestalten. Dieser Beitrag wurde durch die Arbeit von Grant und Schwartz (2011) inspiriert, zwei Psychologen aus den USA, die eine wissenschaftliche Arbeit über Mangel und Überfluss veröffentlichten. Originaltitel der Arbeit: Too Much of a Good Thing: The Challenge and Opportunity of the Inverted U.

    Im Wesentlichen geht es in der Arbeit der Forscher um die Suche nach der Mitte zwischen zwei Extremen, als der Weg zum Glück und Erfolg. Der Gedanke geht bis zum griechischen Denker Aristoteles zurück, der schon damals mahnte, dass zu viel des Guten etwas Schlechtes ist. Gutes Essen wird zur Qual, wenn man sich vollstopft, während zu wenig Essen auch ein Problem ist. Zu wenig Mut bedeutet Feigheit, zu viel Mut bedeutet Leichtsinn. Der Punkt ist klar, oder? Mangel und Überfluss sollten vermieden werden, wenn man glücklich und erfolgreich sein möchte. Einleuchtend. Bisher aber nur graue Theorie.


    Alexander der Große und sein Privatlehrer, Aristoteles.

    Jetzt sehen wir uns die Beweise für ihre Theorie an. Wusstest du, dass ein Stressor deine Widerstandsfähigkeit erhöht? Ein Stressor kann ein plötzliches lautes Geräusch sein oder eine Spinne. Die Spinne (Stressor), die du plötzlich entdeckst, aktiviert deinen Überlebensmechanismus, den du nicht bewusst steuern kannst (Widerstandsfähigkeit wird erhöht).

    Das Herz pumpt schneller, die Lungen bekommen mehr Sauerstoff durch die schnellere Atmung und deine Muskeln werden stärker durchblutet. Du bist bereit für den Kampf … oder die Flucht. Es ist die Kampf-oder-Flucht-Reaktion [3].


    Das Allgemeine Anpassungssyndrom – Vereinfachte Darstellung

    Der Stressor macht dich also stärker und schneller. Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Nach einer gewissen Zeit, macht er dich schwächer und langsamer, der Körper ist ja auch irgendwann erschöpft. Dieser Effekt lässt sich durch eine Glockenkurve darstellen und ist bekannt als das Allgemeine Anpassungssyndrom [2].

    Wie du siehst, liegt die Kraft in der Mitte, also in der Balance zwischen Mangel und Überfluss (an physischer Erregung in diesem Fall). Wir lernen daraus, dass eine geringe Portion Stress die Konzentration steigern und unsere Leistung erhöhen kann (z.B. Srivastava & Krishna, 1991).

    Wenn ich du wäre, wäre ich noch nicht überzeugt, also schauen wir weiter. Nehmen wir uns eine Persönlichkeitseigenschaft vor, die dir vielleicht bekannt ist – Gewissenhaftigkeit [4]. Wir übersetzen es hier grob als die Eigenschaft, die darüber mitbestimmt, wie zielstrebig und genau du arbeitest und wie viel Selbstkontrolle du über dich selbst hast.

    https://thepsychologist.de/erfolg-durch-selbstdisziplin-teil-1

    Zwar wird Gewissenhaftigkeit gerne in Verbindung mit Erfolg und mit positivem Verhalten gesetzt, in einer extremen Ausprägung kann sie aber auch Nachteile haben.

    Wrosch et al. (2007) zeigten in ihren Experimenten, dass Personen, die in der Lage sind, von Zielen abzutreten, sich körperlich und psychisch gesünder fühlen, als Personen, die ihre Ziele weiterhin verfolgen (obwohl es unwahrscheinlich ist, dass sie sie erreichen können). Warum denn das? Zielstrebigkeit ist doch eigentlich gut? Warum fühlen sich denn die Abbrecher besser?

    Wir können annehmen, dass ein zu schnelles Lösen von den eigenen Zielen genauso destruktiv ist, wie ein zu langes Beharren. Das sind beides Extrembeispiele von Mangel und Überfluss an Durchhaltevermögen.

    Auch hier ist der mittlere Weg adaptiv, also gesund und führt langfristig zu „besseren“ Ergebnissen für den Organismus. Dass ein besseres Ergebnis für den Organismus aber nicht gleichbedeutend mit Erfolg ist, müssen wir hier unterstreichen.

    Verstehst du was ich meine? Wenn die Person A sich irgendwann von ihrem Ziel löst, dann geht es ihr vielleicht körperlich und mental besser als der Person B, die ihr Ziel nicht aufgeben möchte.

    Aber es ist denkbar, dass Person B mehr Erfolg hat, weil sie ihre Ressourcen vollständig für das Ziel einsetzt und das Unmögliche schafft, allerdings auf Kosten ihrer körperlichen und mentalen Verfassung.


    Auch während der Meditation machen wir uns auf die Suche nach der inneren Mitte.

    Schauen wir uns ein Beispiel aus der Arbeitswelt an. Arbeitgeber sind daran interessiert, motivierte und kreative Mitarbeiter einzustellen, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten zu haben. Doch Kreativität ist keine Holzlatte, die man aus dem Keller holen kann, wenn man sie braucht. Kreativität ist anfällig für Stimmungen und Emotionen.

    Positive Gefühle scheinen die Kreativität zu steigern und die Originalität der Ideen zu erhöhen, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Wenn die Intensität der Gefühle zu stark wird, dann hat das eine negative Wirkung auf Kreativität (Davis, 2008). Nach einigen Beispielen können wir also zusammenfassen, dass sich die Suche nach der Mitte lohnen kann und zwar nicht nur bei negativen Eigenschaften (Wut, Ekel, Scham), sondern auch bei positiven (Freude, Begeisterung, Zufriedenheit).

    Dass auch ein Überfluss an Fröhlichkeit zu einem Problem werden kann, zeigte z.B. Martin et al. (2002) in seiner Langzeitstudie, mit Daten aus mehreren Jahrzehnten. In seiner Arbeit wurden die Daten von über 1.000 Männern und Frauen untersucht, von der Kindheit bis zum Tod. Aus den Ergebnissen folgerten die Forscher, dass extreme Fröhlichkeit teilweise zu ihrem Tod beitrug, weil sie häufiger Alkohol tranken, rauchten und andere Dinge taten, die ihrer Gesundheit schadeten.

    Diese Menschen gingen unbekümmerter mit ihrer Gesundheit um, weil sie so fröhlich waren, so die Annahme. Es ist jetzt allerdings kein Grund, um eine depressive Phase einzuleiten. Extreme Fröhlichkeit war nur ein Faktor, der zum Tod beitrug. In einem mittleren Maße trägt Fröhlichkeit zu Langlebigkeit und einem glücklichen Leben bei (Martin et al., 2002).

    Wir setzen noch einen drauf und sehen uns das Wohlbefinden von ehrenamtlichen Helfern an. Du kennst jetzt das Prinzip. Mangel und Überfluss sind möglichst zu vermeiden. Die Forschung zeigt, dass ehrenamtliche Helfer eine bessere Gesundheit haben, psychisch gesünder sind, ihr Leben positiver bewerten und länger leben, als Menschen, die keine freiwillige Arbeit ausüben (Windsor, Anstey & Rodgers, 2008). Wow! Oder? Du findest die Studie frei zugänglich unter diesem Link.

    Jetzt kommt der Haken – ehrenamtliche Arbeit gibt den Helfern einen positiven Schub nur dann, wenn sie es nicht übertreiben. Bei zu viel Engagement sinkt das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit der Menschen. Warum? Weil sie überfordert sind und schlicht zu wenig Zeit und Energie für Dinge haben, die ihnen wichtig sind (Windsor, Anstey & Rodgers, 2008).


    Wenn wir nachdenken, dann erkennen wir, dass die Suche nach der Balance ein universelles Phänomen ist.

    Ich denke, wir haben uns nun genug Studien angesehen und können einmal zusammenfassen. Mein Vorschlag ist es, sich auf die Suche nach der Balance zwischen Mangel und Überfluss zu machen. Machen wir uns nichts vor – diese einfache Formel ist kein Allheilmittel und es wird Beispiele geben, wo sie keine Anwendung findet.

    Aber ihre Schlichtheit ist verlockend. Ich bin überzeugt, dass die Suche nach der Mitte das eigene Leben etwas zufriedener, gesünder und produktiver machen kann.

    Quellen

    Davis, M. A. (2009). Understanding the relationship between mood and creativity: A meta-analysis. Organizational behavior and human decision processes, 108(1), 25-38.

    Grant, A. M., & Schwartz, B. (2011). Too much of a good thing: The challenge and opportunity of the inverted U. Perspectives on Psychological Science, 6(1), 61-76.

    Martin, L. R., Friedman, H. S., Tucker, J. S., Tomlinson-Keasey, C., Criqui, M. H., & Schwartz, J. E. (2002). A life course perspective on childhood cheerfulness and its relation to mortality risk. Personality and Social Psychology Bulletin, 28(9), 1155-1165.

    Srivastava, A. K., & Krishna, A. (1991). A test of inverted“ U“-hypothesis of stress-performance relationship in the industrial context. Psychological Studies.

    Windsor, T. D., Anstey, K. J., & Rodgers, B. (2008). Volunteering and psychological well-being among young-old adults: How much is too much?. The Gerontologist, 48(1), 59-70.

    Wrosch, C., Miller, G. E., Scheier, M. F., & De Pontet, S. B. (2007). Giving up on unattainable goals: Benefits for health?. Personality and Social Psychology Bulletin, 33(2), 251-265.


    [1] https://de.wikipedia.org/wiki/TANSTAAFL

    [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeines_Anpassungssyndrom

    [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Kampf-oder-Flucht-Reaktion

    [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Gewissenhaftigkeit