Schlagwort: Psychologie

  • Mentale Stärke – Was ist das eigentlich

    Was ist mentale Stärke? Die meisten können sich darunter etwas vorstellen, aber was das genau ist, wird wohl den wenigsten klar sein. Mentale Stärke ähnelt im Sportkontext eher einer Sammlung von Ideen, als einem klar definierten Konstrukt.

    Die Grundidee ist schnell beschrieben – Sportler, die mentale Stärke besitzen, haben einen Vorteil im Wettkampf gegenüber ihrem Gegner. Mentale Stärke kann einem also zum Sieg verhelfen, so die Annahme. Sogleich tauchen die ersten Fragen auf. Hat jeder die mentale Stärke oder ist sie nur wenigen vorbehalten? Ist sie angeboren oder trainierbar? Was ist das genau?

    Eine Sammlung an Konzepten

    Glaubt man den Forschern, dann wurde praktisch jede positive psychologische Eigenschaft schon mal als mentale Stärke bezeichnet: konstruktiver Umgang mit Niederlagen, Resilienz, die Fähigkeit ruhig und konzentriert zu bleiben, Selbstsicherheit, Entschlossenheit, Konzentrationsfähigkeit und vieles mehr (Jones, Hanton & Connaughton, 2002).

    Wie schon erwähnt, gleicht der Begriff eher einer Ideensammlung, aber in einigen Punkten ist man sich einig, dass es nämlich eine Fähigkeit ist, die einem erlaubt mit Stress, Angst und Drucksituationen umzugehen. Auf der Suche nach den Grundkomponenten mentaler Stärke befragten Jones, Hanton und Connaughton (2002) zehn LeistungssportlerInnen.

    Sehen wir uns die Definition mentaler Stärke an, die aus den Rückmeldungen der Leistungssportler entstanden ist. Mentale Stärke ist eine angeborene oder entwickelte psychologische Fähigkeit, die einem erlaubt, mit den Anforderungen des Sports besser als der Gegner umzugehen, im Training, im Wettkampf und in der eigenen Lebensgestaltung.

    Ein mental starker Athlet ist fokussierter, entschlossener, selbstsicherer und unter Druck gefasster als der Gegner.

    Merkmale mentaler Stärke

    Was sind typische Merkmale von Sportlern, die mental stark sind? Jeder der Befragten schilderte seine eigenen Gedanken. Im zweiten Schritt bewerteten die Forscher, welche Merkmale häufig auftauchten und stellten fest, dass die Befragten den folgenden Punkt als den wichtigsten ansahen:

    Der unerschütterlicher Glaube an sich selbst und an die eigene Fähigkeit, die gesetzten Ziele zu erreichen. Man könnte das auch salopp als Selbstvertrauen oder Selbstsicherheit bezeichnen. Schon beim Lesen leuchtet ein, dass der Glaube an sich selbst wichtig ist, um weiterzumachen und nicht vorzeitig aufzugeben.

    Zwischen den Zeilen kann man hier auch das Durchhaltevermögen erkennen, das als das zweitwichtigste Merkmal bewertet wurde: Sich durch Misserfolge nicht entmutigen lassen, nach dem Fallen wieder aufstehen und weitermachen.

    Wir merken bereits hier, dass die einzelnen Merkmale nicht auseinanderzuhalten sind, sie ergänzen sich, bauen aufeinander auf und gleichen einer Mauer, die uns schützt.

    Ein weiterer Stein, der in unsere Mauer der mentalen Stärke hineinpasst, ist die Motivation und der Trieb zu siegen. Der Wunsch nach Erfolg ist ein fundamentaler Bestandteil mentaler Stärke. Wenn man nicht um jeden Preis gewinnen möchte, dann wirkt sich das auf die Leistung aus. Es folgen nun weitere Merkmale mentaler Stärke, die in der Studie gefunden wurden:

    • Die Fähigkeit, sich trotz Ablenkungen und Störungen auf die aktuelle Aufgabe zu fokussieren und sich nicht ablenken zu lassen.
    • Die Fähigkeit, nach unerwarteten und negativen Situationen die psychologische Kontrolle über sich selbst wiederzugewinnen.
    • Die Fähigkeit, über körperliche und emotionale Grenzen und Schmerzen zu gehen und die Qualität eigener Leistung beizubehalten.
    • Die Fähigkeit, akzeptieren zu können, dass Angst zum Wettkampf dazu gehört und dass man mit ihr umgehen kann.
    • Die Fähigkeit, sich nicht von der guten oder schlechten Leistung anderer stören zu lassen.
    • Die Fähigkeit, mit dem Druck der Wettkämpfe umgehen zu können.
    • Die Fähigkeit, trotz persönlicher Ablenkungen voll konzentriert zu sein.
    • Die Fähigkeit abschalten zu können, zwischen den Spielen aber auch im persönlichen Bereich.

    Wir haben nun einige Merkmale gesammelt, die unter den Begriff der mentalen Stärke fallen. Diese Übersicht ist hilfreich, aber wir sollten uns vor Augen führen, dass es lediglich die Meinung von 10 Leistungssportlern widerspiegelt. Diese Definition und Merkmale sind also eher eine Annäherung und kein allgemeingültiges Muster.

    Kann man mentale Stärke trainieren?

    Wenn ich an dieser Stelle aufhöre zu schreiben, dann habe ich das Gefühl, dass ich es noch nicht reicht, denn wenn wir die Merkmale kennen, wissen wir noch nicht, ob und wie man die mentale Stärke trainieren kann. Kann man sie überhaupt trainieren?

    Professor Robert Weinberg, ein international angesehener Forscher im Bereich der Sportpsychologie, beschreibt seine Sicht auf die Dinge in seiner Arbeit und ist der Überzeugung, dass mentale Stärke trainierbar ist (Weinberg, 2013).

    Eine wesentliche Rolle spielen dabei nicht nur die Bemühungen der Athleten, sondern auch die Umwelt, also die Eltern, Trainer und Freunde. Hier sind einige wichtige Punkte, die zur Entwicklung mentaler Stärke beitragen können:

    • Hartes und forderndes Training – das intensive Training ermöglicht den Sportlern über die eigenen Grenzen zu gehen und effektiv unter Druck zu agieren.
    • Positives und unterstützendes Klima – im Training sollte das Selbstvertrauen entwickelt werden, Bestrafungen und negatives Klima sind dabei in der Regel ein Hindernis.
    • Feedback, Möglichkeiten von anderen zu lernen und sich auszutauschen – ohne Frage gilt Feedback als einer der wichtigsten Faktoren beim Lernen, in diesem Fall beim Lernen mit herausfordernden Situationen umzugehen.

    Es leuchtet ein, dass diese Maßnahmen nur dann Früchte tragen, wenn sie über längere Zeit praktiziert werden. Nach meinem Verständnis ist mentale Stäke kein Ergebnis, das man erreichen kann, denn es ist überhaupt kein Ergebnis, sondern ein Prozess. Es erfordert Zeit, Geduld, Anstrengungen, Enttäuschungen, Niederlagen, nicht selten auch körperliche und emotionale Schmerzen – es ist ein Reifungsprozess der nie endet. Beginnen kann er aber sofort.

    Quellen

    Jones, G., Hanton, S., & Connaughton, D. (2002). What is this thing called mental toughness? An investigation of elite sport performers. Journal of Applied Sport Psychology, 14(3), 205-218.

    Weinberg, Robert. (2013). Mental toughness: What is it and how to build it. Revista da Educação Física / UEM. 24. 1-10. 10.4025/reveducfis.v24.1.17523.

  • Persönlichkeitsveränderung über die Zeit

    Persönlichkeitsveränderung über die Zeit

    Das, was die Welt so schön und interessant macht, ist die Vielfalt der Menschen und Dinge um uns herum. Beispielsweise die Charaktere und Persönlichkeiten der Menschen in unserem Leben.

    Führe dir vor Augen, wie unterschiedlich deine Familienmitglieder, Freunde und Arbeitskollegen sind, in ihrem Aussehen, ihrer Denkweise und ihrem Verhalten. Ein Teil der Andersartigkeit geht auf die Persönlichkeit zurück.

    Persönlichkeit ist eine Ansammlung von Mustern des Denkens, Fühlens und Verhaltens. Ist die Person durchsetzungsfähig? Freundlich? Ist sie offen für neue Erfahrungen und Ideen? Kann man ihr vertrauen? Ist sie bescheiden? Ist sie diszipliniert? Impulsiv? Ängstlich?

    Über unsere Persönlichkeit denken wir wohl eher selten nach, vielleicht nur dann, wenn wir ein Buch über Persönlichkeitsentwicklung kaufen oder jemand unseren Charakter kritisiert. Verändert sich unsere Persönlichkeit über die Zeit?

    In einer wissenschaftlichen Arbeit, die über 50 Jahre andauerte, überprüften die Forscher, ob sich die Persönlichkeit der Menschen veränderte (Damian, Spengler, Sutu & Roberts, 2018).

    Wie viele Persönlichkeiten wurden unter die Lupe genommen? Es waren 1.795, also eine Menge Menschen, die einen Fragebogen ausfüllten, das erste Mal, als sie noch 16 waren. Den gleichen Fragebogen füllten sie 50 Jahre später aus. Sie bewerteten Aussagen bezüglich ihrer Persönlichkeit, wie z.B.:

    • Ich verliere oft die Geduld
    • Ich bin ruhig
    • Ich erledige meine Arbeit, auch wenn ich keine Lust dazu habe
    • Ich bin impulsiv

    Die Forscher konnten zeigen, dass sich die Persönlichkeitsprofile der Menschen über Jahrzehnte wenig verändert haben. Mit anderen Worten, die typischen Persönlichkeitsmerkmale der Personen sind nicht einfach verschwunden oder haben sich umgekehrt.

    Eine ordentliche, umgängliche und wenig impulsive Person ist nach wie vor ordentlich, umgänglich und eher nicht impulsiv. Einige Persönlichkeitszüge ändern sich allerdings im Laufe der Zeit, so werden die älteren Menschen gewissenhafter, emotional gefestigter und angenehmer im Umgang.

    Dabei wird von einer persönlichen Reifung gesprochen, die im Laufe der Zeit normal ist. Unsere Persönlichkeit hat eine stabile Struktur, die den Wellen des Lebens trotzt. Diese Struktur macht es möglich, dass wir uns selbst nicht verlieren und psychisch gesund bleiben. Trotz der stabilen Struktur unserer Persönlichkeit ist aber eine geringfügige Veränderung natürlich möglich.

    QUELLEN:

    Damian, R. I., Spengler, M., Sutu, A., & Roberts, B. W. (2018). Sixteen going on sixty-six: A longitudinal study of personality stability and change across 50 years. Journal of personality and social psychology.

  • Alles eine Frage der Balance

    Alles eine Frage der Balance

    Leonardo da Vinci [Public domain] – Link zum Bild

    Wir suchen nach einer Formel, die uns Zufriedenheit, Gesundheit und Produktivität bringen kann. Doch mich stört das Wort bringen – es klingt so, als müsste man nichts tun, als bekomme man etwas geschenkt. Stimmt natürlich nicht. There is no such thing as a free lunch [1].

    Nichts ist umsonst. Vielleicht dann lieber so: Wir suchen eine Formel, die uns hilft, Zufriedenheit, Gesundheit und Produktivität zu erarbeiten. Wir suchen also nach einem Werkzeug, das hilft, unser Leben schöner zu gestalten. Dieser Beitrag wurde durch die Arbeit von Grant und Schwartz (2011) inspiriert, zwei Psychologen aus den USA, die eine wissenschaftliche Arbeit über Mangel und Überfluss veröffentlichten. Originaltitel der Arbeit: Too Much of a Good Thing: The Challenge and Opportunity of the Inverted U.

    Im Wesentlichen geht es in der Arbeit der Forscher um die Suche nach der Mitte zwischen zwei Extremen, als der Weg zum Glück und Erfolg. Der Gedanke geht bis zum griechischen Denker Aristoteles zurück, der schon damals mahnte, dass zu viel des Guten etwas Schlechtes ist. Gutes Essen wird zur Qual, wenn man sich vollstopft, während zu wenig Essen auch ein Problem ist. Zu wenig Mut bedeutet Feigheit, zu viel Mut bedeutet Leichtsinn. Der Punkt ist klar, oder? Mangel und Überfluss sollten vermieden werden, wenn man glücklich und erfolgreich sein möchte. Einleuchtend. Bisher aber nur graue Theorie.


    Alexander der Große und sein Privatlehrer, Aristoteles.

    Jetzt sehen wir uns die Beweise für ihre Theorie an. Wusstest du, dass ein Stressor deine Widerstandsfähigkeit erhöht? Ein Stressor kann ein plötzliches lautes Geräusch sein oder eine Spinne. Die Spinne (Stressor), die du plötzlich entdeckst, aktiviert deinen Überlebensmechanismus, den du nicht bewusst steuern kannst (Widerstandsfähigkeit wird erhöht).

    Das Herz pumpt schneller, die Lungen bekommen mehr Sauerstoff durch die schnellere Atmung und deine Muskeln werden stärker durchblutet. Du bist bereit für den Kampf … oder die Flucht. Es ist die Kampf-oder-Flucht-Reaktion [3].


    Das Allgemeine Anpassungssyndrom – Vereinfachte Darstellung

    Der Stressor macht dich also stärker und schneller. Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Nach einer gewissen Zeit, macht er dich schwächer und langsamer, der Körper ist ja auch irgendwann erschöpft. Dieser Effekt lässt sich durch eine Glockenkurve darstellen und ist bekannt als das Allgemeine Anpassungssyndrom [2].

    Wie du siehst, liegt die Kraft in der Mitte, also in der Balance zwischen Mangel und Überfluss (an physischer Erregung in diesem Fall). Wir lernen daraus, dass eine geringe Portion Stress die Konzentration steigern und unsere Leistung erhöhen kann (z.B. Srivastava & Krishna, 1991).

    Wenn ich du wäre, wäre ich noch nicht überzeugt, also schauen wir weiter. Nehmen wir uns eine Persönlichkeitseigenschaft vor, die dir vielleicht bekannt ist – Gewissenhaftigkeit [4]. Wir übersetzen es hier grob als die Eigenschaft, die darüber mitbestimmt, wie zielstrebig und genau du arbeitest und wie viel Selbstkontrolle du über dich selbst hast.

    https://thepsychologist.de/erfolg-durch-selbstdisziplin-teil-1

    Zwar wird Gewissenhaftigkeit gerne in Verbindung mit Erfolg und mit positivem Verhalten gesetzt, in einer extremen Ausprägung kann sie aber auch Nachteile haben.

    Wrosch et al. (2007) zeigten in ihren Experimenten, dass Personen, die in der Lage sind, von Zielen abzutreten, sich körperlich und psychisch gesünder fühlen, als Personen, die ihre Ziele weiterhin verfolgen (obwohl es unwahrscheinlich ist, dass sie sie erreichen können). Warum denn das? Zielstrebigkeit ist doch eigentlich gut? Warum fühlen sich denn die Abbrecher besser?

    Wir können annehmen, dass ein zu schnelles Lösen von den eigenen Zielen genauso destruktiv ist, wie ein zu langes Beharren. Das sind beides Extrembeispiele von Mangel und Überfluss an Durchhaltevermögen.

    Auch hier ist der mittlere Weg adaptiv, also gesund und führt langfristig zu „besseren“ Ergebnissen für den Organismus. Dass ein besseres Ergebnis für den Organismus aber nicht gleichbedeutend mit Erfolg ist, müssen wir hier unterstreichen.

    Verstehst du was ich meine? Wenn die Person A sich irgendwann von ihrem Ziel löst, dann geht es ihr vielleicht körperlich und mental besser als der Person B, die ihr Ziel nicht aufgeben möchte.

    Aber es ist denkbar, dass Person B mehr Erfolg hat, weil sie ihre Ressourcen vollständig für das Ziel einsetzt und das Unmögliche schafft, allerdings auf Kosten ihrer körperlichen und mentalen Verfassung.


    Auch während der Meditation machen wir uns auf die Suche nach der inneren Mitte.

    Schauen wir uns ein Beispiel aus der Arbeitswelt an. Arbeitgeber sind daran interessiert, motivierte und kreative Mitarbeiter einzustellen, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten zu haben. Doch Kreativität ist keine Holzlatte, die man aus dem Keller holen kann, wenn man sie braucht. Kreativität ist anfällig für Stimmungen und Emotionen.

    Positive Gefühle scheinen die Kreativität zu steigern und die Originalität der Ideen zu erhöhen, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Wenn die Intensität der Gefühle zu stark wird, dann hat das eine negative Wirkung auf Kreativität (Davis, 2008). Nach einigen Beispielen können wir also zusammenfassen, dass sich die Suche nach der Mitte lohnen kann und zwar nicht nur bei negativen Eigenschaften (Wut, Ekel, Scham), sondern auch bei positiven (Freude, Begeisterung, Zufriedenheit).

    Dass auch ein Überfluss an Fröhlichkeit zu einem Problem werden kann, zeigte z.B. Martin et al. (2002) in seiner Langzeitstudie, mit Daten aus mehreren Jahrzehnten. In seiner Arbeit wurden die Daten von über 1.000 Männern und Frauen untersucht, von der Kindheit bis zum Tod. Aus den Ergebnissen folgerten die Forscher, dass extreme Fröhlichkeit teilweise zu ihrem Tod beitrug, weil sie häufiger Alkohol tranken, rauchten und andere Dinge taten, die ihrer Gesundheit schadeten.

    Diese Menschen gingen unbekümmerter mit ihrer Gesundheit um, weil sie so fröhlich waren, so die Annahme. Es ist jetzt allerdings kein Grund, um eine depressive Phase einzuleiten. Extreme Fröhlichkeit war nur ein Faktor, der zum Tod beitrug. In einem mittleren Maße trägt Fröhlichkeit zu Langlebigkeit und einem glücklichen Leben bei (Martin et al., 2002).

    Wir setzen noch einen drauf und sehen uns das Wohlbefinden von ehrenamtlichen Helfern an. Du kennst jetzt das Prinzip. Mangel und Überfluss sind möglichst zu vermeiden. Die Forschung zeigt, dass ehrenamtliche Helfer eine bessere Gesundheit haben, psychisch gesünder sind, ihr Leben positiver bewerten und länger leben, als Menschen, die keine freiwillige Arbeit ausüben (Windsor, Anstey & Rodgers, 2008). Wow! Oder? Du findest die Studie frei zugänglich unter diesem Link.

    Jetzt kommt der Haken – ehrenamtliche Arbeit gibt den Helfern einen positiven Schub nur dann, wenn sie es nicht übertreiben. Bei zu viel Engagement sinkt das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit der Menschen. Warum? Weil sie überfordert sind und schlicht zu wenig Zeit und Energie für Dinge haben, die ihnen wichtig sind (Windsor, Anstey & Rodgers, 2008).


    Wenn wir nachdenken, dann erkennen wir, dass die Suche nach der Balance ein universelles Phänomen ist.

    Ich denke, wir haben uns nun genug Studien angesehen und können einmal zusammenfassen. Mein Vorschlag ist es, sich auf die Suche nach der Balance zwischen Mangel und Überfluss zu machen. Machen wir uns nichts vor – diese einfache Formel ist kein Allheilmittel und es wird Beispiele geben, wo sie keine Anwendung findet.

    Aber ihre Schlichtheit ist verlockend. Ich bin überzeugt, dass die Suche nach der Mitte das eigene Leben etwas zufriedener, gesünder und produktiver machen kann.

    Quellen

    Davis, M. A. (2009). Understanding the relationship between mood and creativity: A meta-analysis. Organizational behavior and human decision processes, 108(1), 25-38.

    Grant, A. M., & Schwartz, B. (2011). Too much of a good thing: The challenge and opportunity of the inverted U. Perspectives on Psychological Science, 6(1), 61-76.

    Martin, L. R., Friedman, H. S., Tucker, J. S., Tomlinson-Keasey, C., Criqui, M. H., & Schwartz, J. E. (2002). A life course perspective on childhood cheerfulness and its relation to mortality risk. Personality and Social Psychology Bulletin, 28(9), 1155-1165.

    Srivastava, A. K., & Krishna, A. (1991). A test of inverted“ U“-hypothesis of stress-performance relationship in the industrial context. Psychological Studies.

    Windsor, T. D., Anstey, K. J., & Rodgers, B. (2008). Volunteering and psychological well-being among young-old adults: How much is too much?. The Gerontologist, 48(1), 59-70.

    Wrosch, C., Miller, G. E., Scheier, M. F., & De Pontet, S. B. (2007). Giving up on unattainable goals: Benefits for health?. Personality and Social Psychology Bulletin, 33(2), 251-265.


    [1] https://de.wikipedia.org/wiki/TANSTAAFL

    [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeines_Anpassungssyndrom

    [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Kampf-oder-Flucht-Reaktion

    [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Gewissenhaftigkeit

  • Halt durch! – Self-Talk und Motivation

    Halt durch! – Self-Talk und Motivation

      Coen van den Broek 

    Führst du manchmal Selbstgespräche? Feuerst du dich selbst an? Ich sehe ein, dass du die Fragen vielleicht lieber nicht ehrlich beantworten möchtest – insbesondere dann nicht, wenn sie von Psychologen kommen. Wer möchte schon von sich behaupten, dass er Selbstgespräche führt?

    Doch die Besorgnis ist in diesem Fall unberechtigt. Selbstgespräche, im Weiteren nur noch als Self-Talk bezeichnet, gehören zu unserem täglichen Sein. Der innere Dialog, den wir mit uns selbst führen, ist uns eher selten bewusst. Es ist vielmehr eine innere Stimme, die im Hintergrund aktiv ist.

    Diese Stimme kann für uns oder gegen uns arbeiten. Schon Mentaltrainer aus grauer Vorzeit verwendeten das Self-Talk als Hilfsmittel zur Optimierung sportlicher Leistung (Kornspan & MacCracken, 2002, zitiert nach Tenenbaum & Eklund, 2007, S. 288).

    Über die Jahrzehnte hat sich der Trend nicht verändert – nach wie vor wird der mentale Dialog von Athleten verwendet, um sich selbst anzufeuern: „Du schaffst das!“ Sehen wir uns zu diesem Thema eine Beispielstudie an.


    Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass sie Self-Talk bereits verwenden, wenn auch nur unbewusst – Photo by Robert Baker on Unsplash

    Für das Experiment von Hatzigeorgiadis et al. (2018) wurden 16 männliche Teilnehmer gebeten Rad zu fahren. Dabei gab es die Experimentalgruppe, die das Self-Talk verwendete „Ich bin schnell und ich schaffe das“ und eine Kontrollgruppe, die ohne jegliche Self-Talk Anweisungen radeln sollte.

    Du kannst dir schon denken, was die Forscher finden wollten, oder? Unterscheiden sich die Gruppen in ihrer Leistung? Und genauer: zeigt die Self-Talk Gruppe bessere Leistung als die Gruppe ohne die sportpsychologische Technik?

    Insgesamt gab es 4 Sitzungen an 4 Tagen. Am ersten Tag wurden die Personen über den Verlauf des Experiments aufgeklärt, am zweiten und dritten Tag mussten sie trainieren. Am vierten Tag bestand die Aufgabe darin, 30 Minuten Rad zu fahren. Dabei wurde es heiß, denn die Forscher kurbelten die Temperatur auf 35 Grad an, um die Belastung während der 30 Minuten zu erhöhen.


    Photo by dylan nolte | Unsplash

    Der Titel der Studie spricht für sich: „Beat the Heat – Besiege die Hitze“. Die Experimentalgruppe sollte während der Aufgabe Self-Talk verwenden (z.B. „Come on – komm schon, hold on – halt durch“). Die Kontrollgruppe wurde über diese Möglichkeit nicht informiert.

    Dabei wurde geschaut, wie viel Leistung die Personen gezeigt haben – wie schnell sind sie also mit dem Rad gefahren (in Watt). In den ersten 10 Minuten gab es keine bedeutenden Unterschiede zwischen den Gruppen, beide zeigten anfangs ähnliche Leistung. Besonders eindrucksvoll werden die Ergebnisse ab der 15 Minute (siehe Grafik).


    Hatzigeorgiadis, A., Bartura, K., Argiropoulos, C., Comoutos, N., Galanis, E., & D. Flouris, A. (2018). Beat the Heat: Effects of a Motivational Self-Talk Intervention on Endurance Performance. Journal of Applied Sport Psychology, 30(4), 388-401, DOI: 10.1080/10413200.2017.1395930.

    Die Teilnehmer der Experimentalgruppe, die Self-Talk verwendet haben, zeigten zum Ende des Testdurchgangs eine deutlich bessere Leistung als die Kontrollgruppe – obwohl beide Gruppen identischen Anstrengungen ausgesetzt waren. Fazit der Studie: Self-Talk reduziert zwar nicht die objektive Anstrengung, hilft aber, darüber hinwegzusehen, durchzuhalten und sich effektiv auf die Aufgabe zu konzentrieren.

    Du kannst dich also in anspruchsvollen und schwierigen Situationen mit motivierenden Phrasen (Halt durch! oder Mach weiter!) antreiben. Natürlich kann es auch eine andere Phrase sein, die du für dich verwendest.

    Dass jede Technik auch ihre Schattenseiten hat, ist nachvollziehbar. Wenn wir kurz nachdenken, dann leuchtet uns ein, dass ein „zu intensiv“ geführter innerer Dialog zum „inneren Durcheinander“ beitragen kann (Tenenbaum & Eklund, 2007, S.92). Self-Talk daher bitte maßvoll genießen.

    Quellen

    Hatzigeorgiadis, A., Bartura, K., Argiropoulos, C., Comoutos, N., Galanis, E., & D. Flouris, A. (2018). Beat the Heat: Effects of a Motivational Self-Talk Intervention on Endurance Performance. Journal of Applied Sport Psychology, 30(4), 388-401, DOI: 10.1080/10413200.2017.1395930.

    Kornspan, A. S., & MacCracken, M. J. (2002). The use of psychology in professional baseball. NINE: A Journal of Baseball History and Culture, 11, 36-43.

    Tenenbaum, G., & Eklund, R. C. (Eds.). (2007). Handbook of sport psychology. John Wiley & Sons.

  • Folgen und Hinterfragen

    Folgen und Hinterfragen

     Mikael Kristenson

    Wir folgen gerne anderen. Denjenigen, denen andere auch folgen. Massenpsychologie oder Crowd psychology – wir können es nennen, wie wir wollen. Wir sind soziale Kreaturen, die nicht gerne alleine sind. Wir lieben die Sicherheit der Gruppe. Wir möchten folgen.

    Wir folgen den Gedanken der Autoren, die in ihren Artikeln und Büchern Probleme ansprechen und versuchen, Lösungen anzubieten. Manchmal sind es Gedanken, Theorien, Modelle oder denen wir folgen. Das Folgen hat schöne und unschöne Seiten.

    Wir können aus fremden Erfahrungen lernen, neue Perspektiven entdecken und unser Leben durch neue Ideen bereichern. Dabei besteht aber auch die Gefahr, die Selbstständigkeit des eigenen Denkens oder Handelns verkümmern zu lassen. Sich auf Experten zu verlassen, kann das selbstständige Denken hemmen.

    Den Richtlinien, Prinzipien und Gedanken anderer zu folgen, kann sinnvoll sein, wenn wir uns selbst nicht vergessen und die Ideen anderer hinterfragen. Können wir das Folgen und Hinterfragen vereinen?

    Die Impulse von außen aufzunehmen, um unsere Gedankenwelt und unser Handeln zu bereichern? Ich bin nicht dafür oder dagegen, dass wir jemanden folgen. Ich bin dafür, dass wir nicht vergessen, auf uns selbst zu hören.

  • Die Welt braucht Selbstreflexion

    Die Welt braucht Selbstreflexion

    Besonders bei Konflikten taucht das Wort immer wieder auf. Die Person, über die gesprochen wird, ist in der Regel nicht vor Ort. „Wie dumm ist er/sie denn?!“ Früher oder später wird dieser Person mangelnde Selbstreflexion vorgeworfen. Also, warum ist er oder sie nicht in der Lage, das zu sehen, was die anderen sehen? Für den Kläger liegt die Antwort auf der Hand – es fehlt an Selbstreflexion.

    Und an dieser Stelle fängt der Schnee an zu schmelzen… Ich bin immer wieder verwundert, dass das Gespräch über Selbstreflexion die wenigsten dazu bringt, sich selbst zu reflektieren. Vor allem finde ich erstaunlich, wie unreflektiert manchmal diejenigen sind, die über Selbstreflexion sprechen.

    Ist das aber nicht genau das Problem, dass statt sich selbst zu reflektieren, man die mangelnde Selbstreflexion der anderen kritisiert. Keiner sollte sich von der Selbstreflexion freisprechen und auf die anderen zeigen.

  • Zielsetzung – Modell

    Zielsetzung – Modell

    Zur Erreichung von Zielen werden beim Coaching und in der Beratung Zielsetzungsmodelle verwendet. Sie sollen es der Person leichter machen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und ihre Ziele zu erreichen. Eins von vielen Modellen ist das WOOP. Im Vergleich zu anderen Modellen ist es kurz, einfach und lässt sich schnell ausprobieren.

    Verschiedene Zielmodelle

    Ein weiteres Modell für Zielsetzung findest du unter diesem Link:

    Ziele setzen, um zu gewinnen – Kunst der Zielsetzung

    Wish – Wunsch

    Was wünschst du dir? Was ist deine Vision?

    Outcome – Ergebnis

    Was soll am Ende rauskommen? Wie soll das Ergebnis aussehen?

    Obstacle – Hindernis

    Was könnte dir im Weg stehen? Welchen Hindernissen könntest du begegnen?

    Plan – Plan

    Wie willst du vorgehen? Was sind die nächsten Schritte, die du planst?

  • Rauch am Himmel

    Rauch am Himmel

     Tomasz Sroka

    Besteht das Leben aus einer Reihe von Enttäuschungen? – wurde ich am Wochenende gefragt. Ich schwieg. Wir schwiegen. Nicht, dass ich nichts zu sagen hätte – ich hatte meine Meinung. Doch in diesem Moment ging es nicht um meine Meinung, sondern um die Sorge meines Gesprächspartners.

    Diese Frage war wie schwarzer Rauch am Horizont. Ich wusste zwar, dass etwas passiert ist, wusste aber nicht was. Vielleicht war es ein großes Feuer der Enttäuschung, das im Inneren brannte oder vielleicht nur eine Flamme der Neugier, die ihre Sicht erweitern wollte.

     Könnte ich ihm helfen, die Welt anders zu sehen, als er es bisher getan hatte? Könnte ich ihm helfen, die eigene Perspektive zu wechseln? Ich kann diese Fragen stellen, sie aber nicht abschließend beantworten.

  • Unkomfortabler Fortschritt – Leaning In Discomfort

    Unkomfortabler Fortschritt – Leaning In Discomfort

     Joshua Reddekopp

    „Lean into discomfort –

    he or she who is willing to be the most uncomfortable

    is not only the bravest, but rises the fastest.“

    Brené Brown [1]

    Ich finde, in diesem Zitat spiegelt sich die Weisheit des individuellen Fortschritts wider: „Aus unkomfortablen Situationen lernt und verbessert man sich schnell.“ Möchtest du dich verbessern? Hast du den Mut, dich in unkomfortable Situationen zu bringen? Bist du bereit, deine eigenen Grenzen zu überschreiten? Wie stark forderst du dich selbst heraus?

    Komfortzone verlassen

    Sprechen wir etwas aus, das die wenigsten von uns gerne zugeben werden – wir sind nicht besonders gut darin, uns an die eigenen Grenzen zu führen. Machst du aus jeder Trainingseinheit einen Wettkampf gegen sich selbst und versuchst die Zwänge des Komforts zu durchbrechen? Vielleicht manchmal – aber doch nicht immer, oder? Deshalb haben wir Trainer und Coaches, die uns aus der komfortablen Zone rauszwängen. Sie werden dafür bezahlt, dich zu fordern und zu entwickeln.

    Sie spielen eine wichtige Rolle bei deiner Entwicklung, doch solltest du diese Aufgabe nicht ganz aus der Hand geben. Verlasse dich nicht darauf, dass dein Trainer deine Grenzen kennt und dich darüber hinaustreibt. Kenne dich und deine Grenzen. Fordere dich. Lehne dich in unbequeme Aufgaben und Situationen. Es ist deine Entscheidung, die du jetzt treffen kannst.

    Quelle

    [1] Ferriss, T. (2016). Tools of titans: The tactics, routines, and habits of billionaires, icons, and world-class performers. Houghton Mifflin Harcourt.

  • Die Suche nach Grenzen – Psychologie im Extremsport

    Fear is a super important thing …

    and without fear you will die.”

    Jeb Corliss

    In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit den Gedanken und der Psychologie der Extremsportler, die häufig ihr Leben riskieren, um … Ja, warum riskieren sie ihr Leben eigentlich? Sehen wir uns an, was der Wingsuit Jumper Jeb Corliss zu sagen hat:

    There is something to be said about flying. It’s an almost uncontrollable urge. It’s so powerful that people are willing to die for it. It’s highly risky, with an incredibly small margin for error. We’re humans, and we make mistakes.

    If you make a mistake in a wingsuit, you can die. No one gets into wingsuit proximity flying because they think it’s safe. You can’t even use the word “safety” in the same sentence. It’s “dangerous,” “really dangerous,” and “stupid dangerous.” Zum Artikel

    Frei übersetzt: „Zum Fliegen gibt es etwas zu sagen. Es ist ein beinahe unkontrollierbares Verlangen. Dieses Verlangen ist so stark, dass Menschen bereit sind dafür zu sterben. Es ist sehr gefährlich und der Raum für Fehler ist unglaublich gering.

    Als Menschen machen wir Fehler – wenn du aber einen Fehler im Wingsuit machst, dann kannst du sterben. Keiner sucht die Nähe zum Fliegen mit einem Wingsuit, weil er denkt, dass es sicher ist. Man kann das Wort „Sicherheit“ nicht mal im selben Satz benutzen. Es ist gefährlich, sehr gefährlich und es ist zudem dumm gefährlich.“

    Wie real die Gefahr ist, konnte Jeb an seiner eigenen Haut erfahren. Sieh dir das Video mit dem aufgezeichneten Sturz an.

    Motivation im Extremsport

    Eine Studie über die Motivation von Base-Jumpern von Allman et al. (2009) wirft ein kleines Licht auf die kaum beleuchtete Seite des Extremsports. Das hohe Risiko, so die Autoren, das von den Sportlern eingegangen wird, entspringt nicht dem Wunsch zu sterben. Dahinter steckt eher die Hoffnung die Angst zu besiegen, mutig zu sein, Aufregendes zu erleben und sich persönlich weiterzuentwickeln.

    Die Forscher bezeichnen die Weiterentwicklung im Englischen als „self-actualization“, also Selbstverwirklichung. Einige von euch werden an die Bedürfnispyramide von Maslow denken, an dessen Spitze die Selbstverwirklichung steht.

    Die veraltete Bedürfnishierarchie nach Maslow. (By PNG by Philipp Guttmann, SVG by Jüppsche [Public domain], via Wikimedia Commons).

    Selbstverwirklichung und positive Transformation als Antreiber

    Zwar sind sich die meisten Psychologen einig, dass die strikte Bedürfnishierarchie von Maslow nicht die komplexe Wirklichkeit widerspiegelt. Dennoch spielt die Selbstverwirklichung bei der menschlichen Motivation natürlich eine Rolle (Mehr zum Thema Selbstverwirklichung). Allman et al. (2009) folgerten, dass die Motivation der Sportler unterschiedlich und dennoch ähnlich ist.

    Während es einigen also primär um die Überwindung ihrer Angst und um den Adrenalin-Kick geht, möchten die anderen einer elitären Gruppe angehören und ein Teil der Bewegung sein. Zwar wirken diese Antreiber auf den ersten Blick unterschiedlich, auf den zweiten Blick kann man aber erkennen, dass sie auf einen übergeordneten Faktor zurückzuführen sind – auf den Wunsch nach einer positiven Transformation, Selbstverwirklichung.

    Uns unterscheidet die Art und Weise, wie wir nach Selbstverwirklichung streben, uns verbindet aber, dass wir es erlangen wollen.

    Quellen

    Allman, T. L., Mittelstaedt, R. D., Martin, B., & Goldenberg, M. (2009). Exploring the motivations of BASE jumpers: Extreme sport enthusiasts. Journal of Sport & Tourism, 14(4), 229-247.

    https://www.nationalgeographic.com/adventure/features/athletes/jeb-corliss-base-jump-wingsuit-flyer/

    https://www.youtube.com/watch?v=1hKhofOF_zo

    https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstverwirklichung

    https://en.wikipedia.org/wiki/Openness_to_experience

  • Kommunikation – Die stille Kunst

    Kommunikation – Die stille Kunst

     Marc Rafanell López

    Regelmäßig führen wir Gespräche mit Trainern und Spielpartnern, tauschen uns mit anderen aus und stehen in einem mentalen Dialog mit uns selbst. Die genannten Beispiele lassen sich unter dem Punkt Kommunikation zusammenfassen – die Kommunikation mit anderen und mit uns selbst. Im Sport wird diesem Thema eher selten eine Hauptrolle eingeräumt, weder beim Training, noch bei den Wettkampfvorbereitungen.

    Kommunikation bedeutet nicht „Sprechen“

    Viel wäre damit erreicht, wenn wir uns dem Thema öffnen. Zunächst ein paar Gründe, warum es sich lohnt, darüber nachzudenken:

    • Kommunikation im Team hat eine Auswirkung auf die Emotionen der Personen (Tenenbaum & Eklund, 2007, S.46).
    • Kommunikation wirkt sich positiv auf das empfundene Gemeinschaftsgefühl (Teamkohäsion) und Leistung des Teams aus (Tenenbaum & Eklund, 2007, S. 118).
    • Inspirierende und motivierende Kommunikation des Kapitäns oder Trainers gehört zu einflussreichen Faktoren, die das Verhalten der Teammitglieder langfristig beeinflussen (Tenenbaum & Eklund, 2007, S.127)

    Foto von Xuan Nguyen auf Unsplash

    Kommunikation wirkt sich auf unsere Gefühle, Gedanken und unser Verhalten aus. Kurzfristig und langfristig. Der Einfluss der sprachlichen, aber auch der körpersprachlichen Kommunikation ist daher ein wichtiger Anknüpfungspunkt, um die Leistung des eigenen Teams zu verändern. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der wir im Sport kommunizieren, macht uns blind für ihre Wichtigkeit.

    In diesem Beitrag möchte ich die Aufmerksamkeit auf einen speziellen Ausschnitt der Kommunikation richten – auf den Prozess des Zuhörens und Wahrnehmens. Wenn wir über Kommunikation sprechen, dann denken wir zuerst an die aktive Rolle des Sprechens, doch mindestens genauso wichtig ist die Rolle des Zuhörens.

    Im Teamsport

    In welchen Momenten ist die Kommunikation zwischen dir und den anderen Teammitgliedern von großer Bedeutung? In welchen Situationen bist du auf die Informationen der anderen angewiesen, um deinen „Job“ besonders gut zu machen? Agierst du und die anderen Spieler als ein Ganzes?

    Natürlich gibt es immer wieder Kommunikationsschwierigkeiten und Missverständnisse. Allerdings kann die gezielte Übung der eigenen Wahrnehmung die Fähigkeit verbessern, die Rufe oder Zeichen der eigenen Mitspieler zu sehen und entsprechend zu agieren. Die Aufnahme von solchen Zeichen kann spielentscheidend sein.

    Im Einzelsport

    In welchen Momenten kann die Kommunikation mit sich selbst von Vorteil sein? Wann solltest du dich selbst befragen? Z.B. „Soll ich den Time-Out jetzt nehmen oder noch etwas warten?“ In welchen Momenten ist diese Aufmerksamkeit nicht notwendig und vielleicht sogar schädlich? Es zeigt sich, dass das Starten eines inneren Dialogs in Drucksituationen nicht förderlich ist.

    Dadurch können die aufgebauten Automatismen gestört werden und die eigene Leistung negativ beeinflussen. Zum inneren Zuhören gehört auch das Nachdenken und Grübeln über die eigenen Fehler – sei dir dessen bewusst, dass es in vielen Situationen kontraproduktiv ist, mit dem Nachdenken anzufangen, während du im Spiel bist.

    Das Zuhören als Übung begreifen

    Wie gut kannst du deinem Trainer, deinen Teamkollegen und dir selbst zuhören? Mach es dir zur Aufgabe, aufmerksam zu sein und deinen Gesprächspartnern konzentriert zuzuhören. Wann bist du auf die Informationen der anderen angewiesen, um Punkte zu erzielen oder zu verhindern? Führe dir vor Augen, in welchen Situationen das Zuhören besonders wichtig ist und bereite dich auf diese Situationen mental vor.

    „The true professional in every field performs from a base of solid faith in his potential to act successfully.

    He doesn’t listen to self-doubt.“

    Matthew Syed – Bounce

    Quellen

    Syed, M. (2010). Bounce. New York, NY: HarperCollins.

    Tenenbaum, G. & Eklund, R. C. (2007). Handbook of sport psychology.

  • Ziele setzen, um zu gewinnen – Kunst der Zielsetzung

    Ziele setzen, um zu gewinnen – Kunst der Zielsetzung

     Frame Kings

    Lass uns mit einer Frage beginnen: An welcher Technik oder Bewegung arbeitest du aktuell? Gibt es etwas, das du verbessern möchtest? Machen wir es uns in diesem Beitrag zur Aufgabe, deinem Ziel ein Stück näher zu kommen und arbeiten an deiner Zielsetzung.

    Notiere bitte dein Ziel so spezifisch und so detailliert wie möglich auf einem Blatt Papier. Und weil ich weiß, dass es unter meinen Lesern einige Fälle gibt, die diese praktisch angelegten Beiträge nur lesen, appeliere ich jetzt nochmal an dich:

    Halte dein Ziel bitte schriftlich fest

    Der Prozess der Zielsetzung wird von den Sportlern entweder apathisch oder überschwänglich begrüßt. Die Zielsetzung alleine bringt natürlich nicht die ersehnte Veränderung und Leistungsverbesserung, aber damit können wir den Stein ins Rollen bringen.

    Wir sind auf der Suche nach einem Ziel, das eine Leistungssteigerung mit sich bringt und dafür könnten wir dein Ziel modifizieren. Berücksichtige bei deiner Zielsetzung bitte die folgenden Hinweise und verfeinere deine Zielsetzung, falls nötig.

    Konkrete, eindeutige Ziele

    Ist das Ziel spezifisch genug? Ist dein Ziel konkret? Könnte z.B. dein Trainer sehen, wenn du dein Ziel erreichen würdest? Wie erkennst du, dass du das Ziel erreicht hast? Die meisten Ziele sind zu allgemein formuliert. „Ich will den Speer weiter werfen“; „Ich will nicht wieder der Zweite werden“; oder mein persönlicher Favorit „Mehr trainieren“.

    Derjenige, der solche Ziele formuliert, weiß zwar, was damit gemeint ist, aber „in etwa“ reicht selten aus, um die eigene Motivation zu steigern und über den aktuellen Leistungsstand hinaus zu gelangen. Die konkrete Zielsetzung erleichtert dir auch zusätzlich das Messen des Fortschritts.

    Kontrollierbarkeit

    Liegt das Ziel zum größten Teil in deiner Macht? Kannst du das Ziel verfolgen, ohne sich dabei auf andere verlassen zu müssen? Die Übung einer bestimmten Technik, die nicht in meiner Macht liegt, hilft dir wenig. Wenn du für das Erreichen deines Ziels auf das Auto eines Familienmitglieds angewiesen bist, und du das Auto meistens nicht bekommst, dann ist die Umsetzung des Ziels unwahrscheinlich. Damit ist dann auch das Ergebnis gefährdet.

    Gibt es Möglichkeiten, das Ziel auszuführen, ohne dabei von anderen abhängig zu sein? Eine exzellente Möglichkeit zu trainieren, ohne vom Platz und Partnern abhängig zu sein, ist die Visualisierung, auch als mentale Vorstellung bekannt.

    Lust und Motivation

    Wie wichtig ist es dir, das Ziel zu erreichen? Willst du es wirklich? Wenn du darauf kein eindeutiges JA geben kannst, dann ist es vielleicht am besten, es nicht zu tun. Die Motivation wird mit der Zeit nachlassen und du wirst dich eines Tages fragen: „Möchte ich das wirklich?“ Sei ehrlich zu dir selbst – wie wichtig ist es dir, besser zu werden?

    Was bist du bereit an Freizeit und anderen Aktivitäten einzubüßen, um dein Ziel zu erreichen? Sei dabei realistisch. Es gibt einen feinen Unterschied zwischen herausfordernden und unrealistischen Zielen, der nicht immer einfach zu bestimmen ist.

    Größe des Ziels

    Gewöhnlich übernehmen sich die Meisten mit der Menge und der Größe ihrer Ziele. Typischerweise ist das Ziel unrealistisch groß, was an sich kein Problem ist, solange man damit umgehen kann. Ein herausforderndes Ziel kann motivieren und positive Wirkung haben – es zeigt sich allerdings, dass die Bürde eines großen Ziels für Viele zu groß ist.

    Wenn es sich beispielsweise abzeichnet, dass die gewünschte Technik oder Qualität nicht in der geplanten Zeit realisierbar ist, dann bekommt die Motivation einen Dämpfer in die falsche Richtung. Das Ziel wird im schlimmsten Fall komplett aufgegeben.

    Umsetzung

    Wie willst du dein Ziel verfolgen? Welche Schritte wirst du ausführen, um deinem Ziel näher zu kommen? Was wirst du wann konkret tun? Erstelle einen Plan und terminiere deine Schritte. Das Aufschreiben wird das Ziel nicht erreichen, aber es sorgt für einen Platz in deinem Universum, in deinem Bewusstsein und in deinem Alltag. Etabliere Gewohnheiten, die dich bei der Umsetzung unterstützen und eine nachhaltige Zielverfolgung fördern.

    Ein weiteres Modell für Zielsetzung findest du unter folgendem Link:

    Zielsetzung – Modell

  • Coaching for Performance – Bewusstsein und Autonomie

    Coaching for Performance – Bewusstsein und Autonomie

     Nelka

    Coaching for Performance lautet der Titel des Buches von John Whitmore, das sich mit Bewusstsein und Autonomie im Sportkontext beschäftigt. Das ist keine wissenschaftliche Arbeit und er war auch kein Wissenschaftler. Er war die Schlüsselfigur im Coaching und prägte mit seinen Ideen und Büchern das Vorgehen der nachfolgenden Coaches im Business- und im Sportbereich.

    Norm des Sportsystems

    Im Sportkontext weist er daraufhin, dass Trainer die Athleten unterweisen und mit Informationen versorgen. Das ist so gewöhnlich, dass der Satz kurios erscheint. Natürlich unterweist der Trainer den Sportler. Denn man geht davon aus, dass der Trainer weiß was man braucht und was man tun soll. Er sagt es und man tut es. Das ist die Norm unseres Sportsystems. Das System ist gut, aber es könnte noch zusätzlich angereichert werden, mit zwei Prinzipien.

    1. Steigerung des Bewusstseins
    2. Steigerung der Autonomie der Athleten (Selbstbestimmung)

    Statt das Wissen sofort zur Verfügung zu stellen, könnte der Trainer zuerst das Bewusstsein dafür steigern. Wenn der Trainer mit einem Boxer an der Fußarbeit arbeiten möchte, dann könnte er ihn fragen, wie groß die Schritte beim Sparring ausfallen. „Wie viele Zentimeter ist dein Ausfallschritt mit dem rechten Bein? Und mit dem linken?“ Höchstwahrscheinlich kann der Boxer die Frage nicht sofort beantworten und muss seine Aufmerksamkeit auf die Fußarbeit richten.

    Selbstbestimmung gesteigert

    Voilá! Das Bewusstsein für die Fußarbeit wurde geweckt und zwar ohne eine direkte Anweisung „Achte auf deine Fußarbeit!“. Zusätzlich wurde die Selbstbestimmung teilweise in die Hände des Sportlers gelegt. Für eine Leistungssteigerung reicht es häufig nicht aus, zu wissen, was man tun sollte.

    Man weiß es, macht es aber trotzdem nicht oder macht es nicht ausreichend. Durch die systematische Steigerung des Bewusstseins und der Autonomie, schafft man eine solide Grundlage, um Leistung langfristig zu verbessern. Durch die Hinzunahme von Bewusstsein + Verantwortung, lässt sich die Leistung von Sportlern langfristig steigern.

    Quellen

    Whitmore, J. (2010). Coaching for performance: growing human potential and purpose: the principles and practice of coaching and leadership. Nicholas brealey publishing.

  • Psychologisches Momentum im Sport – Teil 1

    Psychologisches Momentum im Sport – Teil 1

     Christopher Burns

    Dem einen oder anderen wird das Wort Momentum bekannt vorkommen, bei der Definition würde man sich aber eher schwer tun. Um Momentum anhand eines Beispiels zu verdeutlichen, stellen wir uns einen Sportler vor, der an einem Tag zwei Wettkämpfe mit unterschiedlichen Gegnern hat. Nennen wir den Sportler Paul.

    Tag 1 – Wettkampf #1 mit Rudolf (verloren)

    Tag 2 – Wettkampf #2 mit Kai (?)

    Paul verliert den Wettkampf #1. Wirkt sich dieser Verlust auf den Wettkampf #2 aus?

    Ja oder Nein?

    Wenn du die Frage mit Nein beantwortest, dann stellt sich die Frage: Wieso nicht? Das erschütterte Selbstvertrauen von Paul könnte sich ja auf das nächste Spiel auswirken. Oder vielleicht hat er damit seine Chance auf den ersten Platz verspielt und strengt sich bei dem zweiten Spiel nicht mehr so viel an.

    Was ist mit dem Gegner – bekommt er vielleicht mehr Selbstvertrauen, weil er gesehen hat, dass Paul seinen ersten Wettkampf verloren hat? Bist du dir also sicher, dass das Ergebnis des ersten Wettkampfs sich nicht auf den zweiten Wettkampf auswirkt?

    Hätte, wäre, würde, könnte… Natürlich wissen wir nicht, was passieren würde, aber eins steht fest. Mehrere Faktoren sind hier im Spiel und eine einfache Antwort wird uns hier nicht weiterhelfen. Und da wären wir – mitten in der Diskussion rund um das Thema Momentum.

    Die Wissenschaftler Iso-Ahola und Mobily (1980) definieren psychologisches Momentum als eine hinzu gewonnene psychologische Kraft, ausgelöst durch Erfolg, die das Verhalten beeinflusst und mit erfolgreicher Leistung einhergeht. Nehmen wir zusätzlich auch eine Kernfrage, die wir beantwortet haben wollen: Hat es im Sport eine Auswirkung, wenn man mehrere Punkte nacheinander macht? Oder mehrere Punkte nacheinander nicht macht? Führt Erfolg zu mehr Erfolg?

    Die Frage klingt vielleicht unwichtig. Oder fast schon langweilig. Wenn wir uns aber ein paar Beispiele vor Augen halten, dann merken wir schnell, dass das Thema im Sport allgegenwärtig ist, insbesondere in Momenten, wo auf den Spielern sehr viel Druck lastet. Um dir ein echtes Beispiel für Momentums zu geben, schaue dir z.B. das folgende Video ab der Minute 4:50 an:


    Fußball:

    Wenn der Torwart einen Ball hält, hat das eine Auswirkung auf die Abwehr der anderen Schüsse? Steigert das die Wahrscheinlichkeit, dass er einen anderen Ball hält?


    Oder sieh dir das Basketballvideo der letzten Minuten der NBA-Finals von 2013 an:

    Für Miami Heat scheint es in den letzten Minuten besser zu laufen, als für die San Antonio Spurs. Hat das mit Momentum zu tun? Oder hat einfach der Stärkere gewonnen?

    Für die Tennisfans gibts das Match von Federer gegen Murray – die ersten 2 Minuten reichen schon aus, um einen Vorgeschmack zu bekommen.


    Die ersten drei Punkte macht Federer und scheint Momentum zu haben, obwohl Murray den Aufschlag hat. Ist es tatsächlich Momentum? Zufall? Können?


    Wir verlassen nun den Bereich der Spekulationen und theoretischen Überlegungen und kommen zu experimentellen Untersuchungen. Eine der bekanntesten Arbeiten in diesem Bereich ist die von Gilovich, Vallone und Tversky (1985). Die Forscher untersuchten das psychologische Momentum im Basketball, was auch als Hot-Hand Phänomen bezeichnet wird. Unter diesem Link finden interessierte Leser die Original PDF-Datei der Studie, die frei zugänglich ist (Link). Nehmen wir nochmal unsere Kernfrage und wandeln diese etwas um, sodass sie speziell auf Basketball zutrifft. Hat es im Basketball eine Auswirkung, wenn der Spieler mehrere Punkte nacheinander trifft? Trifft er dann anschließend noch mehr? Also erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Treffers nach einem vorherigen Treffer? Wird der Spieler sozusagen heiß?

    Von insgesamt 50 befragten Basketballspielern, glaubten 46, dass Hot-Hand / Momentum existiert. Im Widerspruch zu diesem Glauben stehen allerdings die Befunde statistischer Analysen der Forscher, die zeigten, dass sich nach einem erfolgreichen Wurf die Wahrscheinlichkeit nicht erhöht, auch den nächsten Wurf zu versenken. Die Forscher bezeichneten Momentum bzw. Hot-Hand als eine kognitive Verzerrung. Damit unterstellten Gilovich et al. (1985) den Fans, Spielern und Trainern die Unfähigkeit, zufällige Ereignisse als zufällig wahrzunehmen. Unterliegen Sportzuschauer und Spieler tatsächlich einer kognitiven Verzerrung? Oder hat Momentum tatsächlich Auswirkungen auf sportliche Leistung?

    Mehr dazu im nächsten Beitrag…

    Quellen

    Gilovich, T., Vallone, R., & Tversky, A. (1985). The hot hand in basketball: On the misperception of random sequences. Cognitive psychology, 17(3), 295–314.

    Iso-Ahola, S. E., & Mobily, K. E. (1980). “ Psychological momentum“: A phenomenon and an empirical (unobtrusive) validation of its influence in a competitive sport tournament. Psychological Reports, 46(2), 391–401.

    https://thepsychologist.de/psychologisches-momentum

  • Michael Jordan – Vom Siegen und Scheitern einer Sportlegende

    Michael Jordan – Vom Siegen und Scheitern einer Sportlegende

    Dank für das Foto geht an Howard Chai


    Wie trainiert eine Sportlegende wie Michael Jordan? Was treibt ihn an? Was denkt er während des Trainings und was fühlt er danach? Können alle Ziele erreicht werden oder gibt es Grenzen, die nicht überwunden werden können? Mehr dazu von Michael Jordan.

    (mehr …)