Mentale Stärke – Was ist das eigentlich

Mentale Stärke ist eine psychologische Fähigkeit, die einem erlaubt, mit den Anforderungen des Sports besser umzugehen als der Gegner.

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Was ist mentale Stärke? Die meisten können sich darunter etwas vorstellen, aber was das genau ist, wird wohl den wenigsten klar sein. Mentale Stärke ähnelt im Sportkontext eher einer Sammlung von Ideen, als einem klar definierten Konstrukt.

Die Grundidee ist schnell beschrieben – Sportler, die mentale Stärke besitzen, haben einen Vorteil im Wettkampf gegenüber ihrem Gegner. Mentale Stärke kann einem also zum Sieg verhelfen, so die Annahme. Sogleich tauchen die ersten Fragen auf. Hat jeder die mentale Stärke oder ist sie nur wenigen vorbehalten? Ist sie angeboren oder trainierbar? Was ist das genau?

Eine Sammlung an Konzepten

Glaubt man den Forschern, dann wurde praktisch jede positive psychologische Eigenschaft schon mal als mentale Stärke bezeichnet: konstruktiver Umgang mit Niederlagen, Resilienz, die Fähigkeit ruhig und konzentriert zu bleiben, Selbstsicherheit, Entschlossenheit, Konzentrationsfähigkeit und vieles mehr (Jones, Hanton & Connaughton, 2002).

Wie schon erwähnt, gleicht der Begriff eher einer Ideensammlung, aber in einigen Punkten ist man sich einig, dass es nämlich eine Fähigkeit ist, die einem erlaubt mit Stress, Angst und Drucksituationen umzugehen. Auf der Suche nach den Grundkomponenten mentaler Stärke befragten Jones, Hanton und Connaughton (2002) zehn LeistungssportlerInnen.

Sehen wir uns die Definition mentaler Stärke an, die aus den Rückmeldungen der Leistungssportler entstanden ist. Mentale Stärke ist eine angeborene oder entwickelte psychologische Fähigkeit, die einem erlaubt, mit den Anforderungen des Sports besser als der Gegner umzugehen, im Training, im Wettkampf und in der eigenen Lebensgestaltung.

Ein mental starker Athlet ist fokussierter, entschlossener, selbstsicherer und unter Druck gefasster als der Gegner.

Merkmale mentaler Stärke

Was sind typische Merkmale von Sportlern, die mental stark sind? Jeder der Befragten schilderte seine eigenen Gedanken. Im zweiten Schritt bewerteten die Forscher, welche Merkmale häufig auftauchten und stellten fest, dass die Befragten den folgenden Punkt als den wichtigsten ansahen:

Der unerschütterlicher Glaube an sich selbst und an die eigene Fähigkeit, die gesetzten Ziele zu erreichen. Man könnte das auch salopp als Selbstvertrauen oder Selbstsicherheit bezeichnen. Schon beim Lesen leuchtet ein, dass der Glaube an sich selbst wichtig ist, um weiterzumachen und nicht vorzeitig aufzugeben.

Zwischen den Zeilen kann man hier auch das Durchhaltevermögen erkennen, das als das zweitwichtigste Merkmal bewertet wurde: Sich durch Misserfolge nicht entmutigen lassen, nach dem Fallen wieder aufstehen und weitermachen.

Wir merken bereits hier, dass die einzelnen Merkmale nicht auseinanderzuhalten sind, sie ergänzen sich, bauen aufeinander auf und gleichen einer Mauer, die uns schützt.

Ein weiterer Stein, der in unsere Mauer der mentalen Stärke hineinpasst, ist die Motivation und der Trieb zu siegen. Der Wunsch nach Erfolg ist ein fundamentaler Bestandteil mentaler Stärke. Wenn man nicht um jeden Preis gewinnen möchte, dann wirkt sich das auf die Leistung aus. Es folgen nun weitere Merkmale mentaler Stärke, die in der Studie gefunden wurden:

  • Die Fähigkeit, sich trotz Ablenkungen und Störungen auf die aktuelle Aufgabe zu fokussieren und sich nicht ablenken zu lassen.
  • Die Fähigkeit, nach unerwarteten und negativen Situationen die psychologische Kontrolle über sich selbst wiederzugewinnen.
  • Die Fähigkeit, über körperliche und emotionale Grenzen und Schmerzen zu gehen und die Qualität eigener Leistung beizubehalten.
  • Die Fähigkeit, akzeptieren zu können, dass Angst zum Wettkampf dazu gehört und dass man mit ihr umgehen kann.
  • Die Fähigkeit, sich nicht von der guten oder schlechten Leistung anderer stören zu lassen.
  • Die Fähigkeit, mit dem Druck der Wettkämpfe umgehen zu können.
  • Die Fähigkeit, trotz persönlicher Ablenkungen voll konzentriert zu sein.
  • Die Fähigkeit abschalten zu können, zwischen den Spielen aber auch im persönlichen Bereich.

Wir haben nun einige Merkmale gesammelt, die unter den Begriff der mentalen Stärke fallen. Diese Übersicht ist hilfreich, aber wir sollten uns vor Augen führen, dass es lediglich die Meinung von 10 Leistungssportlern widerspiegelt. Diese Definition und Merkmale sind also eher eine Annäherung und kein allgemeingültiges Muster.

Kann man mentale Stärke trainieren?

Wenn ich an dieser Stelle aufhöre zu schreiben, dann habe ich das Gefühl, dass ich es noch nicht reicht, denn wenn wir die Merkmale kennen, wissen wir noch nicht, ob und wie man die mentale Stärke trainieren kann. Kann man sie überhaupt trainieren?

Professor Robert Weinberg, ein international angesehener Forscher im Bereich der Sportpsychologie, beschreibt seine Sicht auf die Dinge in seiner Arbeit und ist der Überzeugung, dass mentale Stärke trainierbar ist (Weinberg, 2013).

Eine wesentliche Rolle spielen dabei nicht nur die Bemühungen der Athleten, sondern auch die Umwelt, also die Eltern, Trainer und Freunde. Hier sind einige wichtige Punkte, die zur Entwicklung mentaler Stärke beitragen können:

  • Hartes und forderndes Training – das intensive Training ermöglicht den Sportlern über die eigenen Grenzen zu gehen und effektiv unter Druck zu agieren.
  • Positives und unterstützendes Klima – im Training sollte das Selbstvertrauen entwickelt werden, Bestrafungen und negatives Klima sind dabei in der Regel ein Hindernis.
  • Feedback, Möglichkeiten von anderen zu lernen und sich auszutauschen – ohne Frage gilt Feedback als einer der wichtigsten Faktoren beim Lernen, in diesem Fall beim Lernen mit herausfordernden Situationen umzugehen.

Es leuchtet ein, dass diese Maßnahmen nur dann Früchte tragen, wenn sie über längere Zeit praktiziert werden. Nach meinem Verständnis ist mentale Stäke kein Ergebnis, das man erreichen kann, denn es ist überhaupt kein Ergebnis, sondern ein Prozess. Es erfordert Zeit, Geduld, Anstrengungen, Enttäuschungen, Niederlagen, nicht selten auch körperliche und emotionale Schmerzen – es ist ein Reifungsprozess der nie endet. Beginnen kann er aber sofort.

Quellen

Jones, G., Hanton, S., & Connaughton, D. (2002). What is this thing called mental toughness? An investigation of elite sport performers. Journal of Applied Sport Psychology, 14(3), 205-218.

Weinberg, Robert. (2013). Mental toughness: What is it and how to build it. Revista da Educação Física / UEM. 24. 1-10. 10.4025/reveducfis.v24.1.17523.