Gespräche, die man nicht führen will

Arrogante und herablassende Einstellung des Teamleiters, übertriebener Ehrgeiz des Trainingspartners. Früher oder später kommt der Punkt an dem man jemanden etwas sagen möchte. Viele von uns sehnen sich nicht nach solchen Gesprächen. Kann es ...

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Die arrogante und herablassende Einstellung des Teamleiters, übertriebener Ehrgeiz des Trainingspartners, giftige Kommentare des Trainers oder ein Familienmitglied, der von der Tribüne gerne peinliche Kommentare herausschreit. Früher oder später kommt der Punkt, an dem man jemanden etwas sagen möchte.

Viele von uns sehnen sich nicht nach solchen Gesprächen. Der Zeitpunkt muss stimmen und der stimmt eigentlich nie, bis das Fass voll ist. Als dann die Sicherung rausfliegt, wird es ungemütlich für beide Seiten. Kann es von Vorteil sein das Gespräch zu suchen, bevor es zur Explosion kommt? Die Antwort liegt auf der Hand.

Die Kritikformel

Mein Teampartner nervt und ich entscheide mich, es ihm zu sagen. Wie mache ich das? Jeder kennt die Kritikformel – erst etwas Positives sagen und erst dann die Kritik äußern. Leider wird diese „Technik“ von jedem durchschaut, weil das Positive nur am Rande auftaucht und häufig gar nicht ernst gemeint ist. Das Positive ist das Gemüse auf dem Teller mit saftigem Schnitzel – man will das Gemüse schnell hinter sich bringen und zum Hauptgericht kommen.

Der Empfänger der Botschaft riecht die Kritik sehr schnell und bereitet sich vorsorglich auf einen Kampf vor. Denn es geht um seine Identität und Integrität und die möchte beschützt werden. Ein Angriff wird mit einem Gegenangriff erwidert.

Dabei ist es nicht entscheidend, ob die vorgetragenen Argumente legitim sind oder nicht. In der Regel haben sie ihre Berechtigung. Die Frage ist aber, ob die Kritik ihr Ziel erreicht. Statt das Verhalten der Person zu ändern, sorgt die Kritik häufig dafür, dass die Person defensiv, beleidigt oder aggressiv wird.

Was kann man also stattdessen tun? In ihrem Buch Diffucult Conversations, stellen Stone, Heen und Patton (2010) verschiedene Ansätze vor, wie an solche schwierigen Gespräche produktiv rangegangen werden kann. Eines der Kernideen der Autoren ist die Einstellung, mit der man in das Gespräch geht:

Verständnis statt Urteil

Wenn man also darauf eingestellt ist, jemanden zu verstehen und nicht ein Urteil abgeben zu wollen, dann erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass das Gespräch produktiv verläuft. Das setzt das Bewusstsein voraus, dass wir nicht die volle, objektive “Wahrheit” kennen, sondern dass die andere Person eine Perspektive hat, die wir noch nicht kennengelernt haben. Das ist keine Technik, sondern eine Haltung. Nur wenn ich wirklich verstehe und akzeptiere, dass jeder Mensch eine Perspektive hat und es keine einzig wahre Sichtweise gibt, kann ich neugierig sein.

Was hat den anderen veranlasst, so zu handeln?

Es ist leichter gesagt als getan. Versetze dich jetzt bitte in eine Situation, die dich sehr stark aufgeregt hat. Was war deiner Meinung nach das Problem? Was hat der oder die andere “falsch” gemacht? Warum hat er das gemacht? Und was hast du “falsch” gemacht? Wenn du in der Situation wirklich emotional warst, dann ist es wahrscheinlich, dass du dein Verhalten nicht als „falsch“ ansiehst: “Das war ganz klar die andere Person”.

Wir sehen den Fehler bei den anderen. Wir urteilen. Häufig wollen wir auch nicht verstehen. Wir wollen urteilen, weil wir die “Guten” sind.  Die anderen sehen sich aber auch im Recht und urteilen über uns. Sie denken auch, dass sie die Guten sind. Sie wollen nicht verstehen – genauso wie wir, wollen sie urteilen. Statt zu urteilen, könnten wir neugierig werden. Mit dieser Haltung könnten einige unserer schwierigen Gespräche weniger schwierig ablaufen.

Quellen

Stone, D., Heen, S., & Patton, B. (2010). Difficult conversations: How to discuss what matters most. Penguin.