Orte, die wir besuchen

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Somewhere in Portugal

Du reist an Orte, die du vielleicht kennst oder noch nie gesehen hast. Es sind helle Orte, dunkle Orte, Städte voller Menschen oder Hotels mitten auf Feldern. Dort sind viele freundliche Menschen oder überhaupt keine Menschen und manchmal sind da alle abstoßend und du wünschst dir, da wäre keiner.

Und manchmal wünschst du dir, da wäre jemand, mit dem du deinen Lunch teilen könntest. Eine inspirierende Unterhaltung bei deinem schwarzen Kaffee mit Zucker ohne Milch und deinen Gedanken. Jemand, der dich ansieht und dich wahrnimmt. Ein Mensch, der sich in diesen Momenten für dich interessiert – mitten in den anonymen Labyrinthen des Ortes, an dem du performen musst.

Orte, die wir besuchen, haben Potenziale uns zu inspirieren, zu schockieren, zu lähmen oder anzuregen. Nun wäre es zu einfach, zu sagen, der Ort sorgt dafür, dass du motiviert bist (angenehme Gerüche, frische Bettwäsche und saubere Seeluft), dich unvorbereitet fühlst (der Hotelgast nebenan trieb es bis spät in die Nacht mit lautem Gusto). Damit würden wir es uns zu einfach machen und uns ganz aus der Verantwortung nehmen. „Ich konnte nichts dafür, das war der Nachbar, das Hotel, der Regen, die Klimaanlage, der Zug, die schmutzige Straße.“

Orte, die wir besuchen, machen etwas mit uns. Aber auch wir machen etwas mit den Orten, die wir besuchen. Wir bringen uns mit und können den Vibe und die Mitmenschen bewegen, die um uns herum sind. Schenke ein Lächeln der Person, die an dir vorbeigeht. Selbstlos und ohne Erwartung, nur weil du es willst und weil du es kannst.

Freue dich, dass die Person zurücklächelt und es annimmt. Ihr geht aneinander vorbei. Die Neugier dreht euch um und ihr seht euch nochmal an. Noch ein Lächeln. 10 Minuten später sitzt ihr beieinander und redet über den Tag und das Leben. Über das, was euch wichtig ist, was euch enttäuscht und worauf ihr euch freut.

Dieses unsichtbare Band verbindet und schafft eine Gravitation zwischen euch, die so stark ist, dass ihr euch nicht mehr lösen könnt und nicht einmal wollt. Noch nicht.

Aus eigener Erfahrung und der Forschung wissen wir, dass der Kontakt zu anderen Menschen lebensnotwendig ist. Glücklich sind wir dann, wenn wir sinnvolle, vertraute Beziehungen in unseren Leben hegen, die uns Kraft geben (Link zum Buch – Happier). Und obwohl soziale Interaktion für uns wie Nahrung ist, die wir regelmäßig brauchen, gibt es viele Menschen, die diese Einsicht nicht haben, oder nicht wissen, wie sie sich dieses Paket sozialer, angenehmer Interaktion beschaffen können.

Einige sind überfragt und überfordert, wenn es darum geht, mit anderen zu sprechen – dabei wissen wir, dass selbst minimale soziale Interaktionen unser Wohlbefinden und unsere Lebenszufriedenheit steigern können (Link zur Studie – Minimal Social Interactions with Strangers). Heißt, dass der kurze Smalltalk an der Kaffeetheke schon etwas bewirken kann: „Wissen Sie, ob hier die Tagespresse ausliegt?“.  

Orte, die wir besuchen, können uns zum Verzweifeln bringen, uns isolieren und in die Einsamkeit treiben. Sie können uns aber auch inspirieren, bewegen und zum Nachdenken bringen. Doch es sind nicht allein die Orte, die das anrichten, sondern wir gestalten diese Erfahrungen aktiv mit, mit unserer Einstellung, unseren Erwartungen, unseren Gefühlen und Ideen, mit dem was wir sind und mit dem, was wir tun.