Dank für das Foto geht an Marco Bianchetti
Wie schlimm muss es dir gehen, damit du dich einem Psychologen anvertraust? Sehr schlimm, wenn man der Dissertation von Maniar (1998) glauben darf. Der Forscher untersuchte von wem Sportler eher bereit sind Hilfe anzunehmen – von Coaches, Ärzten, Freunden, Psychologen, Beratern oder Priestern. Die Wenigsten wird vielleicht überraschen, dass klinische Psychologen sich ganz hinten anstellen müssen, neben Beratern und Priestern. Wenn ein Athlet also ein sportspezifisches Problem hat oder seine Leistung verbessern möchte, dann geht er nicht zum Psychologen oder Berater, sondern zuerst zum Coach oder einem Freund. Macht Sinn oder? Man kennt sie gut, vertraut ihnen und muss sie auch nicht bezahlen. Etwas überraschender ist der Befund, dass ein Performance Enhancement Specialist (P.E.S. – Spezialist für Leistungssteigerung) eher aufgesucht werden würde, als ein Sportpsychologe. Maniar erklärt das damit, dass das Wort „Psychologe“ seit vielen Jahren einem Stigma unterliegt, zum Teil weil man schlichtweg nicht weiß, was ein Psychologe macht und ob er beißt. Den Befunden zufolge ist es von Vorteil den psychologischen Aspekt nicht zu stark in den Vordergrund zu rücken, weil einige Sportler besorgt sind, als gestört zu gelten. Das erklärt, warum im alltäglichen Sprachgebrauch viel häufiger von mentaler Stärke, als von psychologischer Resilienz die Rede ist und warum einige Psychologen sich eher Mentalcoaches nennen. Zusätzlich wurde in der Studie erfragt, welche Interventionen aus der Sportpsychologie am meisten benutzt werden. Zielsetzung und Visualisierung steht auf der Präferenzliste von Sportlern ganz oben, dicht gefolgt von Entspannungsübungen. Hypnose und medikamentöse Behandlungsmethoden erfreuen sich dagegen größerer Unbeliebtheit. Der Unterschied in der Beliebtheit könnte in der empfundenen Kontrollierbarkeit der Interventionen liegen – bei der Zielsetzung habe ich das Ruder in der Hand und bei der Hypnose bin ich dem Hypnotiseur ausgeliefert. Je mehr Kontrolle ich also über das Verfahren habe, desto wahrscheinlicher ist es, dass ich es auch anwenden würde.
Quellen
Maniar, S. D. (1998). Athlete preferences for sport psychology interventions.