Anton Samsonov

Psychologische Hilfe & Coaching

a.samsonov@thepsychologist.de

Schlagwort: Alltagspsychologie

  • Die Macht, die uns weniger empathisch macht

    Die Macht, die uns weniger empathisch macht

    Die Wichtigen und Mächtigen sind lausige Empathisanten (Galinsky et al., 2006). Sie tun sich schwer damit, die Perspektive der anderen einzunehmen und sind weniger empathisch.

    Warum auch? Wenn sie doch die wertvollen Ressourcen kontrollieren und eher damit beschäftigt sind, die Perspektiven und Richtungen zu bestimmen und zu führen.

    Je mächtiger sie sind, desto schlechter scheint es ihnen zu gelingen, sich in andere hineinzuversetzen, Gesichtszüge zu interpretieren. Sie neigen auch zur Annahme, dass andere ein ähnliches Wissen haben müssen, wie sie selbst (Galinsky et al., 2006).

    Mächtig sind nur die anderen

    Bevor wir uns jetzt selbst ausklammern und sagen: „Na, ich bin damit ja nicht gemeint. Ich bin der empathischste Mensch, den ich kenne“, könnten wir uns vor Augen führen, was Macht eigentlich ist. Man muss nicht ein Volk regieren oder ein Unternehmen leiten, um Macht auszuüben.

    Einfach gesprochen ist Macht die Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen (Keltner et al., 2003). Entscheidend für das Gefühl der Macht ist – das eigene Gefühl. Ich kann mich sehr mächtig fühlen, ohne es tatsächlich zu sein.

    Die Wichtigen und Mächtigen sind also nicht nur da oben, sondern überall. Wenn dich jemand auf der Autobahn mit der Lichthupe einschüchtert, versucht derjenige Macht auszuüben. Auch du hast die Möglichkeit (also die Macht), mit der Lichthupe Terror zu verbreiten. Machst du das auch?

    Jede Handlung zählt

    Täglich üben wir Macht aus und beeinflussen andere Menschen. Mit unseren Handlungen, indem wir andere vor vollendete Tatsachen stellen. Mit unserer Sprache, indem wir eine Bitte oder eine Aufforderung äußern. Auch mit unseren Gesten, E-Mails und Gesichtsausdrücken.

    Das Gefühl der Macht, macht uns weniger empathisch – sagt uns die Wissenschaft. Was machen wir mit dieser Erkenntnis? Vielleicht können wir diese Erkenntnis berücksichtigen, wenn wir das nächste Mal jemanden mit unserem Verhalten oder unseren Worten, E-Mails oder Gesten beeinflussen möchten.

    Quellen

    Galinsky, A. D., Magee, J. C., Inesi, M. E., & Gruenfeld, D. H. (2006). Power and perspectives not taken. Psychological science, 17(12), 1068-1074.

    Keltner, D., Gruenfeld, D. H., & Anderson, C. (2003). Power, approach, and inhibition. Psychological review, 110(2), 265.

  • Wer bist du, wenn niemand zuschaut?

    Wer bist du, wenn niemand zuschaut?

    Foto von NASA – Unsplash

    MENSCH IM WELTRAUM

    „Die Erdoberfläche befindet sich 400 Kilometer unter mir und huscht mit 28 000 Stundenkilometern an meinem Gesicht vorbei. In meinem Raumanzug fühle ich mich eher wie in einem Miniraumschiff als in einem Kleidungsstück.

    Fast so lange, wie der Mensch in den Weltraum fliegt, ist er entschlossen, aus dem Raumfahrzeug zu klettern. Teilweise, um die Fantasien wahr zu machen, dass ein Mensch allein durch die unermessliche Weite des Kosmos schwebt, wobei ihn allein eine Art Nabelschnur mit dem Mutterschiff verbindet.“ (S. 357, 359; Kelly, 2017).

    Allein durch die Weite des Kosmos zu schweben – tun wir das nicht alle? Schweben wir nicht täglich durch unseren eigenen Kosmos des Lebens? Von Familie, Freunden, Kollegen und Fremden umgeben, aber schlussendlich doch jeder für sich.

    Jeder in seinem eigenen Miniraumschiff aus Werten, Überzeugungen, Einstellungen, Persönlichkeitszügen. Jeder von uns – ein Komponist seines eigenen Handelns und Lebens.


    Photo by Jordan Whitfield on Unsplash

    WENN NIEMAND ZUSCHAUT

    Einige Zeit unseres Lebens verbringen wir in Stille. Nur mit uns selbst. Wenn niemand zuschaut. Wer das Alleinsein zunächst mit etwas Negativem verbindet, ist keineswegs alleine – auch die Forschung legte ihren Schwerpunkt auf Einsamkeit, wie man im Review von Hawkley und Cacioppo (2010) nachlesen kann.

    Nur, um das Thema kurz anzuschneiden – Einsamkeit ist keine objektive persönliche Bewertung der eigenen sozialen Eingebundenheit, sondern eine persönliche Interpretation der Umstände. Im Klartext – was für den einen Einsamkeit bedeutet, ist für den anderen ein ausgelassenes Sozialleben. Es kommt auf deine Bewertung an.

    Das Thema ist von großer Bedeutung, denn einige Studien schätzen, dass zwischen 15 und 30% der Bevölkerung den Zustand der Einsamkeit dauerhaft erleben, also ein chronisches Gefühl von Einsamkeit haben (Heinrich, & Gullone, 2006). Eine beunruhigende Zahl, an deren Reduktion wir mitwirken können, indem wir z.B. Sport machen.

    Sport ist die Universalwaffe des Menschen, denn physische Aktivität sorgt dafür, dass wir körperlich gesund bleiben und trägt zur psychischen Gesundheit (Reduktion der Einsamkeitsgefühle) und zur Schärfung des Verstands bei (Penedo & Dahn, 2005).

    SELBSTVERSTÄNDNIS, REFLEXION, KREATIVITÄT

    Doch das Alleinsein bedeutet nicht Einsamkeit. Der Astronaut Scott Kelly erlebte seinen alleinigen Spaziergang im Weltall als unglaublich. Auch die 175 befragten Astronauten in der Studie von Ihle, Ritsher und Kanas (2006) haben angegeben, dass Sie Ihren Aufenthalt im Weltraum als positiv bewerten.

    Viele Denker und Künstler nutzten die stillen Stunden des Morgens und der Nacht, um kreativ zu sein. Franz Kafka schrieb zwischen 22 und 1 Uhr nachts, um sich in Ruhe zu konzentrieren. Der Komponist Gustav Mahler begab sich zu seinen Zeiten in eine von seinem Haus abgelegene Hütte, um in Ruhe zu denken und zu arbeiten. Seine Frau spielte während dieser Zeit sogar kein Klavier, um ihn nicht beim Denken zu stören (S.41, Currey, 2013).

    Es gibt eine Reihe positiver Effekte, die durch das Alleinsein entstehen, die auch durch Forschungsarbeiten bestätigt werden (Long, Seburn, Averill, & More, 2003). Personen berichten, dass sich ihr Selbstverständnis steigert und sie kreativ sind, wenn sie alleine sind. Auch das Reflektieren über das eigene Leben und Nachdenken über die eigenen Ziele gehören zu den positiven Bestandteilen von Alleinsein.

    WER BIST DU, WENN NIEMAND ZUSCHAUT?

    QUELLEN:

    Currey, M. (Ed.). (2013). Daily rituals: How artists work. Knopf.

    Hawkley, L. C., & Cacioppo, J. T. (2010). Loneliness matters: A theoretical and empirical review of consequences and mechanisms. Annals of behavioral medicine, 40(2), 218-227.

    Heinrich, L. M., & Gullone, E. (2006). The clinical significance of loneliness: A literature review. Clinical psychology review, 26(6), 695-718.

    Ihle, E. C., Ritsher, J. B., & Kanas, N. (2006). Positive psychological outcomes of spaceflight: an empirical study. Aviation, space, and environmental medicine, 77(2), 93-101.

    Long, C. R., Seburn, M., Averill, J. R., & More, T. A. (2003). Solitude experiences: Varieties, settings, and individual differences. Personality and Social Psychology Bulletin, 29(5), 578-583.

    Penedo, F. J., & Dahn, J. R. (2005). Exercise and well-being: a review of mental and physical health benefits associated with physical activity. Current opinion in psychiatry, 18(2), 189-193.

  • Die Welt braucht Selbstreflexion

    Die Welt braucht Selbstreflexion

    Besonders bei Konflikten taucht das Wort immer wieder auf. Die Person, über die gesprochen wird, ist in der Regel nicht vor Ort. „Wie dumm ist er/sie denn?!“ Früher oder später wird dieser Person mangelnde Selbstreflexion vorgeworfen. Also, warum ist er oder sie nicht in der Lage, das zu sehen, was die anderen sehen? Für den Kläger liegt die Antwort auf der Hand – es fehlt an Selbstreflexion.

    Und an dieser Stelle fängt der Schnee an zu schmelzen… Ich bin immer wieder verwundert, dass das Gespräch über Selbstreflexion die wenigsten dazu bringt, sich selbst zu reflektieren. Vor allem finde ich erstaunlich, wie unreflektiert manchmal diejenigen sind, die über Selbstreflexion sprechen.

    Ist das aber nicht genau das Problem, dass statt sich selbst zu reflektieren, man die mangelnde Selbstreflexion der anderen kritisiert. Keiner sollte sich von der Selbstreflexion freisprechen und auf die anderen zeigen.